„Wie lieblich sind deine Wohnungen“

Der Dirigent des Motettenchores Lörrach, Joss Reinicke, und Johannes Kempin vom Geistlichen Zentrum St.Peter unterhielten sich gestern bei einem Gesprächsvortrag über das Deutsche Requiem von Johannes Brahms (1833-1897). Für das Gespräch ausgewählt hatten sie die Sätze 3, 4 und 6, Einspielungen einer Aufnahme unter Sir Roger Norrington leiteten den jeweiligen Gesprächsblock ein.

Johannes Kempin, der 13 Jahre in Jerusalem gelebt hat, betont die Bedeutung des hebräischen Wortes, das bei der Stelle aus Psalm 84 „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ für Wohnung steht: mischkan. Es ist dasselbe Wort, das bei der Wüstenwanderung der Israeliten für das mitwandernde Zelt Gottes und somit dafür steht, dass wir in der Wüste nicht verloren gehen, dort nicht alleine sind. Auch im verheißenen Land bleibt dieses Zelt der Begegnung, es lässt sich nieder, das Vertrauen wird gefestigt. Im Johannesevangelium würde der Gedanke des gemeinsamen Wohnens Gottes mit den Menschen aufgegriffen, wenn Jesus davon spricht, dass er die Wohnungen im Haus des Vaters bereitet. Und Johannes Kempin fährt fort, dass man in der Musik an dieser Stelle genau diese mischkan, diese Wohnung, diesen Heilsraum bereits für diesen Moment betritt. Es ist im zentralen vierten Satz des Requiems die Zusage des Bleibenden. Nicht die vorangegangene Erschütterung behält das letzte Wort. Die tiefe Erschütterung, durch die sowohl der Psalmist des Psalm 39 wie Brahms im dritten Satz des Requiems gehen. Überdeutlich arbeitet Brahms die Endlichkeit heraus, um dann über die unruhige Frage nach dem Trost zur Auf- und Ausrichtung zu kommen in dem einen Satz „ich hoffe auf dich“ und danach die große Gewissheit auszubreiten in der langen Orgelpunkt-Fuge „der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“, in welcher auch die kleinen Momente des Widerstands bei „Qual“ die Gewissheit nicht mehr erschüttern können.

In Satz 6 die Dramatik, höchste Dynamik und Ungeheuerlichkeit des Übergangs von der Verweslichkeit in die Unverweslichkeit, von Leid zu Jauchzen, ein Miterleben des Kampfes zwischen Tod und Leben, in der Schlussfuge ist man dann hindurchgegangen und angekommen.  Und Johannes Kempin erzählt hierzu noch eigenes Erleben während einer Osternacht in Jerusalem: am Ende der Nacht fing aus der Stille heraus jemand an zu lachen, das Lachen breitete sich aus, schließlich stimmte die ganze Kirche befreit in das Osterlachen ein.

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