Tag 16 im Dezember

Von (im TonArt) tönenden Menschen zu tönenden Tieren gestaltete sich der Übergang sozusagen nahtlos, präsentierte doch der 47-jährige Westerwälder Dominik Eulberg im Anschluss an die Probe fürs Adventskonzert des Motettenchores seine Biodiversitätsshow im nahegelegenen Lörracher Burghof und das mehr als zwei Stunden lang, unterstützt von Freunden und von seiner Frau Natalia mit ihrem Raupenlabor (Metamorphose leicht erklärt). Der Ökologe, bekannte DJ und erfolgreiche Minimal Techno-Musiker Eulberg will mit seiner einzigartigen und eigen-sinnigen Showkomposition das Staunen wecken für die Natur als größte Künstlerin – und das gelingt ihm mit Bildern, Filmsequenzen, Faktenschnipseln, Original- und komponierten Tönen gehaltvoll und schmackhaft. Er malt keine Untergangsszenarien, sondern wirbt für lustvolle Anteilnahme an den Wundern der Arten-, Gen- und Biotop-Vielfalt, denn „wir sind nur bereit, das zu schützen, was wir lieben.“  Eigenkomponierte Sounds begleiten grandiose Aufnahmen (z.T. in zig-facher elektronenmikroskopischer Vergrößerung, z.B. sieht man Kieselalgen, die den Look des römischen Kolosseums haben) und tragen Namen wie Goldene Acht, Drei Millionen Musketiere, Tanz der Glühwürmchen. Dazwischen streut Eulberg Humboldt- und Rachel Carson-Zitate und erzählt allerlei Hochinteressantes nicht nur zu einzelnen Tierarten (z.B. dass Ameisen über ein eigenes Antibiotikum verfügen und Amputationen ihrer Gliedmaßen durchführen), sondern auch zu den genialen ökologischen Zusammenhängen, wobei er nebenher mit gutgemeinten, aber zielverfehlenden Aktionen aufräumt (z.B. mit „Insektenhotels“). Dramatische Auswirkungen zeitigte eine unter Mao Zedong 1958 gestartete Kampagne, bei der die „vier Plagen“ Spatzen, Ratten, Stechmücken und Fliegen ausgerottet werden sollten. Große Teile der Bevölkerung einschließlich der Kinder wurden zum „Großen Sprung nach vorn“ verpflichtet und machten u.a. mit Gongs und Töpfen überall einen solchen Lärm, dass die Spatzen sich nirgends niederlassen konnten und schließlich erschöpft vom Himmel fielen. Die Folgen des milliardenfachen Tötens waren Heuschreckenschwärme gigantischen Ausmaßes, massivste Ernteausfälle und eine Hungersnot, bei der Millionen Menschen starben.

Am späteren Abend verwandelt Eulbergs Live- & DJ-Set noch „die Schönheit der Schmetterlinge in Klang – poetisch, tanzbar und einmalig“ – das dann aber ohne mich, dafür nehme ich „Tönende Tiere“ mit, die „einzigartige Melange aus Kunstbuch und Klang“. In dem im Eichborn-Verlag erschienenen Buch kann man Tierstimmen und den aus ihnen komponierten Klängen lauschen, indem man einfach sein Smartphone den QR-Code scannen lässt, und man kann die von Matthias Garff (geb.1986) aus Alltagsgegenständen gebauten Tierskulpturen bestaunen, zum Beispiel einen aus Bambus, Holz, einer Kunststofftonne, Aluminium, Teppich, Wachs und Lack gefertigten Buchfink. Wäre das nicht ein wahrlich wunder-volles Weihnachtsgeschenk für Groß und Klein?

(Dominik Eulberg & Matthias Garff: Tönende Tiere. Die Musik heimischer Stimmwunder. Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln 2023)

Geschichte – Chinas Hölle auf Erden https://share.google/htBCaLuGue3ukLWFQ