Der Tag verspricht, schön zu werden und ich verspreche mir, alles liegen und stehen und mich treiben zu lassen, wie die Schwimmer im Rhein, die ich gleich sehen werde – denn dahin soll es mich schon treiben, in die benachbarte Stadt am Rhein. Ich nehme also das E-Bike und fahre gemächlich durch die kühle Kathedrale des Lange-Erlen-Waldes, schaue ins grüne Blätterdach und auf die Tümpel der Wasseraufbereitung und den kleinen Kanal, der sich aus dem Wiesentalbach ableitet und die Turbinen des Kraftwerks Riehenteich antreibt, muss beim Umherschauen aber achten, dass ich nicht den Rennradfahrern ins Gehege komme, die vielleicht auf ihr Trainingsziel blicken, sonst aber nirgendwohin.
An der Theodorskirche vorbei radle ich auf die Wettsteinbrücke, ich raste ein wenig am Geländer, sehe die Münstertürme und viele bunte Tupfer links auf der Pfalz und rechts auf den Ufertreppen und unter mir – wusste ich‘s doch – treiben die Tupfer entspannt mit der Strömung des heute türkis gewandeten Rheins. Von irgendwoher tönt ein Trommeln und Pfeifen. Über der Brücke wehen Flaggen in der angenehmen Brise, es sind die der Women’s Euro 2025, deren Eröffnungsspiel im Joggeli stattfand und auch im Endspiel werden die Fußballerinnen auf dem Rasen des St.Jakob-Stadions laufen.
Gegenüber dem Hauptbau des Kunstmuseums sind metallene Fahrradständer, ich finde einen freien, schließe mein E-Bike an, überquere die Straße und betrete den hellen Innenhof des vom Basler Architekten Rudolf Christ gemeinsam mit dem Stuttgarter Baumeister Paul Bonatz entworfenen Gebäudes. Das Bistro liegt auf beschatteter Seite und unter den großen Schirmen, die sich der Steinfarbe des Museums fügen, sitzen bereits viele Gäste. Ich passiere die Glastür und wende mich nach rechts, um einmal noch die seit bald einem Jahr immer wieder neu choreografierte Ausstellung Paarlauf zu sehen, bevor ihre Exponate wieder in andere Räume wandern.
Der letzte und fünfte Raum ist nun Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) gewidmet und plötzlich bin ich in den Winter katapultiert mit allen Farben des Schnees und einem Fernblick auf Davos mit der Kirche St.Johann im Zentrum, gleich aber erlebe ich die Rückkehr der Tiere und den Bergsommer auf der Stafelalp, wo Kirchner 1917 eine Berghütte mietete, nachdem er dem Arzt Lucius Spengler seinen Wunsch vorgetragen hatte, sich im Sommer auf eine einsame Alm zurückziehen zu wollen.
Ich habe den Wunsch, in den Sommer am Rhein zurückzukehren zu den Tupfen, die an seinem Ufer sitzen oder in seiner Strömung treiben, verlasse das Museum und … komme nicht weit. Denn unversehens gerate ich in die Parade des Basler Tattoo, wo kräftige Dudelsackklänge, Waden in Wollstrümpfen und die Karos rhythmisch schwingender Röcke die schottischen Highlands herbei zaubern. Ich lehne an der Buntsandsteinrahmung einer alten Holztür gegenüber vom Haus zum Delphin, links über mir hebt sich das Rotweiß einer Schweizer Flagge vom Sommerblau des Himmels ab, rechts kann ich kaum das Münster erahnen, so gefüllt ist die Gasse mit Gruppen, die Aufstellung nehmen, bestimmt nimmt meine Haut Sommerfarbe an, denn die Kühle des Morgens hat sich verflüchtigt und die Julisonne brennt nicht nur auf Kappen und Strohhüte der Umstehenden, sondern auch direkt in mein Gesicht.
Als ich schließlich doch noch über das Kopfsteinpflaster und durch den Münsterkreuzgang die Pfalzterrasse erreiche, lehnt sich neben mir ein Großvater mit Enkelin über die Sandsteinmauer und erzählt, dass er auf dem hinteren Deck der Rhystärn, die gerade unter uns auf dem Fluss der Mittleren Brücke entgegen gleitet, gestern zu Abend gegessen hat und wie sehr schön das war.

(Die Ausstellung Paarlauf dauert noch bis zum 27.07.2025. Das 1919 entstandene Stafelalp.Rückkehr der Tiere wurde dem Basler Kunstmuseum 2017 vom Sammler Eberhard W. Kornfeld geschenkt)