Sotto le stelle oder Sommerfreuden 2

An den Mittwochabenden wehen nicht nur Klänge durch den Garten der Fondation Beyeler, sondern das Museum hält auch seine Innenräume geöffnet für die Sommerausstellung, die diesmal in Zusammenarbeit mit der Künstlerin verwirklicht wurde und mit etwa 90 Werken einen Ein- und Überblick erlaubt über ihr bereits rund sechs Jahrzehnte währendes kreatives Schaffen. Vija Celmins wurde 1938 im lettischen Riga geboren, floh 1944 mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie in einem Flüchtlingslager in Esslingen am Neckar lebte, bevor die Familie 1949 in die Vereinigten Staaten zog. Dort studierte Vija Celmins in Indianapolis Kunst und lebte später auch in Venice/Kalifornien, wo sie begann, die Oberfläche des Ozeans zum Motiv ihrer Gemälde und Zeichnungen zu machen.

Der Schneemann steht im Garten der Fondation im kühlen Gehäuse und ich beschließe, seinem Hinweis zu folgen, das kühle Gehäuse des Museums aufzusuchen und die Atmosphären des Sound Garden aus einer Innenperspektive zu erfassen. Zumal die Ausstellung eine Annäherung an das Geheimnis des Kosmos verspricht, und zwar nicht nur durch Celmins meisterhafte Darstellungen von Sternenhimmeln, sondern auch durch ebenso detailreiche und technisch anspruchsvolle Bilder von Schneeflocken, die hell leuchtend vor nachtschwarzem Himmel fallen. Es sind Vija Celmins aktuellste und großformatigste Gemälde, die im letzten der neun Säle diesen flüchtigen Wirklichkeitsausschnitt des Schneefalls festhalten und ihm eine zeitlose, stille Dauer geben. Die nächtlichen Sternenhimmel in mehreren Sälen vermitteln neben dem Gefühl der Zeitlosigkeit auch das der Grenzenlosigkeit und initiieren ein kontemplatives Sehen; der Prozess ihrer Herstellung erforderte Präzision und Geduld, jeweils über Monate, ja bisweilen Jahre arbeitete Celmins an ihnen, bei den Ölgemälden trug sie die dunkle Farbe in Schichten auf und schliff sie jeweils wieder zu einer glatten Fläche ab, wobei jeder einzelne Stern zunächst mit einem Tropfen Flüssiggummi bedeckt war, bevor dieser abgeschabt und mit feinsten Pinseln die Stelle ausgearbeitet wurde, wie ich den Erläuterungen des Begleitheftchens entnehmen kann.

Die letzten Gemälde der Ausstellung datieren aus 2024, Saal 1 zeigt Arbeiten aus 1964 wie die Tischlampe, die ihre doppelten Stielaugen auf den Betrachter richtet und damit metaphorisch für das zentrale Movens von Celmins Kunst steht: das aufmerksame Schauen. Dieses genaue Schauen galt in der Frühphase den die Künstlerin umgebenden Alltagsgegenständen.

Auch in Wüsten hat Vija Celmins genau geschaut und intendiert, den gefundenen Objekten durch exakte Nachahmung nahe zu kommen. So im Werk „To Fix the Image in Memory I-XI” (1977-1982), das elf Steinpaare versammelt: die gefundenen Natursteine und ihre Kunstkopien aus bemalter Bronze.

Ob auf genau gezeichnete Meeresbewegung oder auf perfekte Steinkopien, ob in die Weiten der Sternenhimmel oder ins stete sachte Fallen der Schneeflocken, ich schaue und staune, und als ich das Museumsgebäude verlasse, verklingen im Gartenpavillon die letzten Töne des zweiten Sound Garden, ich grüße zur Linken den Snowman in seinem Gehäuse und danke ihm für seinen Hinweis.

(Die Ausstellung Vija Celmins ist in der Fondation Beyeler, CH-Riehen noch zu sehen bis 21.September 2025)