Römische Notizen

Im Sommer 1978 bin ich nach dem ersten Studiensemester für einen Monat nach Rom zurückgekehrt, nachdem ich es Ende Februar 1978 hatte verlassen müssen. Die private Anfrage zu einer mehrwöchigen Nachtwache bei einer alten Dame hatte mir die Möglichkeit eröffnet, wieder in „meiner“ casa zu sein, auch wenn die gestrenge Leiterin des Hauses mit dieser Lösung zunächst nicht einverstanden war. So hatte ich auch nicht eines der den Haustöchtern zustehenden Zimmer, sondern war – immerhin allein – in einem Mehrbettjugendraum im Souterrain untergebracht für die wenigen Schlafstunden, denn tagsüber wollte ich unbedingt meine Streifzüge durch Rom fortsetzen, ebenfalls allein. Spärliche Notizen sind von diesen Gängen erhalten, meist habe ich aus Rom seitenlange Briefe geschrieben, an Freundinnen, vor allem aber an die Eltern. Die Briefe waren eigentlich lange Notate dessen, was ich bei meinen römischen Erkundungen gesehen und mir im Sehen, Erleben und Nachlesen angeeignet hatte (diese brieflichen Aufzeichnungen existieren nicht mehr).

In einem spiralgehefteten quaderno, das ich im Sommer 1978 in Rom gekauft haben muss, denn die erste Seite weist es als italienisch aus (Feld für nome/materia/classe/scuola und Feld für Stundenplaneintragungen lunedi/martedi/mercoledi/giovedi/venerdi/sabato), finden sich am 2.August 1978 folgende Eintragungen:

Chiesa del Gesù

Obwohl mir ja eigentlich die Art des Barock nicht zusagt, so scheint es mir nun doch, als wollte man mit all dieser Pracht an Malerei, Skulptur, Architektur, Dekoration, mit all dieser Fülle an Bewegung und Farbe die Macht und die Freude des Ganz-Anderen, der Vollkommenheit, der Göttlichkeit ausdrücken, die die Menschen ergreift.

Gedenkstätte für Aldo Moro in der Via Caetani in der Nähe des Kapitols

Seltsam dieser Ausdruck einer fast heidnischen Anbetung, fast Vergöttlichung, ganz auf dem Gefühl beruhend, für ein Opfer der verkörperten Gewalt, die für menschliche Empfindungen und Gefühle keinen Raum mehr lässt.

Santa Sabina

Diese Einfachheit – welch ein Gegensatz zur barocken Überlast! Sie und die absolute Stille erheben das Herz, so dass es hineingenommen wird in die Hoheit Gottes, welche sich dem Einfachen zuwendet.

(Die 47 Jahre alte Postkarte zeigt eine ungewöhnliche Darstellung der Kreuzigung Christi auf der aus dem 5. Jahrhundert (!) stammenden Holztür der Basilica di Santa Sabina all‘ Aventino. Die Zypressenholztür war für das Hauptportal extra entworfen worden, ihre Reliefbilder zählen zu den bedeutendsten Kostbarkeiten abendländischer Kunst. Die Tafel der Kreuzigungsszene gilt als älteste Darstellung des gekreuzigten Christus, wobei das Kreuz an sich gar nicht dargestellt ist, sondern ein aufrecht stehender Christus in Orantenhaltung mit ausgebreiteten Armen und weit offenen Augen, die Hände von Nägeln durchbohrt, daneben die beiden mit ihm gekreuzigten Schächer)

(Aldo Moro, italienischer Ministerpräsident von 1963 bis 1968 und von 1974 bis 1976, ansonsten mehrfach Minister, wurde am 16.März 1978 auf dem Weg ins Parlament von den Brigate Rosse entführt, dabei wurden seine fünf Leibwächter ermordet.  Aus der Geiselhaft schrieb er mehr als 80 Briefe an Parteifreunde, an seine Familie und an Papst Paul VI., welcher sich vergeblich als Geisel im Austausch für den befreundeten Moro anbot. Ein Teil dieser Korrespondenz sowie Texte der Entführer wurden in Auszügen im Corriere della Sera abgedruckt. Am 9.Mai 1978 wurde Moro tot in der Via Michelangelo Caetani im Kofferraum eines roten Renault 4 aufgefunden, durch acht Schüsse ermordet)

Kuku na pili pili hoho

Sie weiß noch immer, dass das Paprikahuhn heißt. Wozu sie das weiß, weiß sie nicht. Sie hatte Jungmädchenromane gelesen von Berte Bratt und alle Wörter und Wendungen der fremden Sprache herausgeschrieben, die sie hatte finden können, später abgetippt und in ein Ringbuch geheftet und schließlich hatte sie sich auch einen schmalen Swahili- Sprachführer besorgt. Dass Daktari Doktor heißt, hatte sie bereits zuvor gewusst, ab und an hatte sie die Fernsehserie gesehen, die diesen Titel trug, und sie liebäugelte mit den East African Flying Doctors, obwohl sie keineswegs fliegen konnte und schon immer Höhenangst hatte.

Das Flugzeug mit den schwarzweißen Zebrastreifen, an das sie sich jetzt erinnert, gehörte aber nicht den Flying Doctors, sondern war das, mit dem Vater und Sohn Grzimek unterwegs waren, um die Tierwanderungen rund um den Ngorongoro- Krater zu erfassen, natürlich hatte sie auch Serengeti darf nicht sterben damals gesehen und aufgeschrieben, dass Serengeti das Swahili- Wort für Durst ist, aber jetzt sagt ihr das Smartphone, dass das nicht stimmt, denn es bedeutet ‚endlose Ebene‘ und das Wort für Durst ist kiu.  Ahsante sana, Smartphone, danke, dass du die Safari begleitest, karani heißt aber wirklich der Schreiber, kitabu ist ein Buch und mwalimu ist der Lehrer.

Mwalimu war nicht nur der Beruf, sondern auch der Ehrentitel des ersten (Minister)Präsidenten der Republik Tanganjika und später Vereinigten Republik Tansania, des Katholiken Julius K.Nyerere, und sie hatte nicht nur in der Oberstufe ein Referat gehalten über das ehemalige Deutsch-Ostafrika, sondern sich auch einige Jahre später aus der Reihe ‚Texte zum Kirchlichen Entwicklungsdienst‘ Schriften von und über Nyerere besorgt zu „Freiheit und Entwicklung“, zu „Bildung und Befreiung“ und zum Afrikanischen Sozialismus.

„Ich hatte eine Farm am Fuße der Ngongberge. Hundert Meilen nördlicher lief der Äquator durchs Hochland, aber die Farm lag in einer Höhe von über zweitausend Metern. Da spürt man tagsüber die Höhe, die Nähe der Sonne, aber die Morgenfrühe und die Abende sind klar und friedvoll, und die Nächte sind kalt.“

Sie hat das kenianische Hochland, das Karen Blixen in Out of Africa beschreibt, genauso einmal erlebt, für die kalten Nächte hatte man ihr metallene Wärmflaschen ins Bett der Lodge im Mount Kenya Nationalpark gelegt und Thermosflaschen mit heißem Tee ins Zelt am Mara-Fluss gestellt und an den sonnenerhitzten Tagen hatte sie die trockenen Farben gesehen, „glasiert wie Farben irdener Geschirre“ und sie war den geliebten Elefanten ganz nahe gekommen. Und waren nicht damals Meryl Streep als Karen Blixen und Robert Redford als Denys George Finch Hatton im Film Jenseits von Afrika einfach wunderbar gewesen –  wie er ihr die Haare wäscht, wie er sie im gelben Doppeldecker über die afrikanische Landschaft fliegt bis zum Lake Nakuru, auf dem die Flamingos rosa Wolken bilden. Auch sie war bis zum Nakurusee gekommen, in einem Jeep, hatte die unzähligen Flamingos gesehen, die sich ihre Farbe mit der besonderen Nahrung des Sodasees einverleiben. Sie überlegt, sie erinnert sich, es ist mehr als sechsunddreißig Jahre her.

„Von da sah ich im Südwesten die Ngongberge liegen. In edlem Schwung erhob sich das Gebirge luftig-blau über das umliegende Flachland, doch war es so fern, dass die vier Gipfel ganz klein erschienen, kaum unterscheidbar und anders geformt, als man sie von der Farm aus sah. Der Umriss des Gebirges war von der sänftigenden Hand der Ferne geglättet, wie ich ihn von der Farm aus sich hatte glätten sehen unter den streichelnden Fingern der Nacht.“

Kwaheri heißt Auf Wiedersehen – auch das weiß sie noch.

(Die Zitate stammen aus Tania Blixen „Afrika. Dunkel lockende Welt“, Manesse Bibliothek der Weltliteratur, Manesse-V. Zürich 1986. Titel der englischen Originalausgabe „Out of Africa“, New York 1937. Die dänische Schriftstellerin Karen Blixen-Finecke, geborene Dinesen, 1885-1962, war 17 Jahre lang Kaffeefarmerin in Kenia. Ihr Pseudonym auf dem deutschen Buchmarkt ist meist Tania Blixen, ihre englischsprachigen Bücher erschienen oft unter dem Pseudonym Isak Dinesen)

Siebter Sonntag nach Trinitatis

Wer erinnert sich noch an den Hit, den der niederländische Sänger Bruce Low 1971 während seines Comebacks landete? Richtig: Noah found grace in the eyes of the Lord –  Noah fand Gnade vor den Augen des HERRN !

Der Liedtext bezieht sich auf Textstellen aus dem 1.Buch Mose (Genesis), auch Kirchenfernen mag die Geschichte der Sintflut und der Arche Noah einigermaßen geläufig sein (eine Sintflut-Erzählung gibt es auch im Gilgamesch-Epos). Nach biblischer Erzählung war Noah 600 Jahre alt, als die vernichtende Flut kam, die er, seine Familie und „alle Tiere nach ihrer Art – je zwei und zwei“ in der Arche überlebten. Nach Zeiten der Quarantäne wird das Leben aus der Arche wieder auf die Erde entlassen, die es füllen soll – ja, es steht sogar geschrieben „wimmelt auf der Erde!“ (1.Mose 9,2 u.7). Gott richtet einen Bund auf zwischen sich und „jedem lebenden Wesen“, „auf ewige Generationen hin“. Ich zitiere die Verse 13 bis 15 aus dem 9.Kapitel Genesis nach der Elberfelder Übersetzung:

Meinen Bogen setze ich in die Wolken, und er sei das Zeichen zwischen mir und der Erde. Und es wird geschehen, wenn ich Wolken über die Erde aufwölke, und der Bogen in den Wolken erscheint, dann werde ich an meinen Bund denken, der zwischen mir und euch und jedem lebenden Wesen unter allem Fleisch besteht; und nie mehr soll das Wasser zu einer Flut werden, alles Fleisch zu vernichten.

Und ich zitiere noch eine Strophe aus Bruce Lows Hit:

Noah sprach: HERR, ich glaub‘, das kann ich nicht/ Der HERR sprach: Noah, mach‘ kein störrisches Gesicht/ Du weißt nie, was du kannst, bevor du es versuchst/ Jetzt geh und hole Bauholz, auch wenn du leise fluchst.

(Bruce Low, 1913-1990, war der Sohn eines Missionars der Herrnhuter Brüdergemeine, die auch Herausgeberin der Losungen ist; www.losungen.de ; Print-Ausgaben erscheinen im Friedrich Reinhardt Verlag, Lörrach/Basel)

fünfter sein

Inzwischen ist es etwas lädiert, das schmale, kleine, vielbenutzte Büchlein, das meine Mutter einmal ihrem Enkel schenkte und das inzwischen eine nonna oft mit dem groß gewordenen Jemand las und betrachtete, alle immer aufs Neue gebannt von Ernst Jandls Zeilen und Norman Junges Illustrationen, die mit minimalen Mitteln Stimmung und Geschehen der aufs Äußerste reduzierten Gedichtgeschichte übertragen.

Gestern hätte der am 9.Juni 2000 in Wien gestorbene „Sprachformer“ Ernst Jandl 100. Geburtstag gefeiert.

Wir warten ein wenig ängstlich und gespannt, was hinter der geschlossenen Tür passiert und zählen die Stühle, bis wir dran sind, wir schauen, was die Lampe macht, wenn die Tür sich öffnet und einer hineingeht oder herauskommt, wir betrachten, wie er sich bewegt beim Hineingehen und beim Herauskommen und wir erkunden, welche Accessoires er dann verlieren oder wieder bekommen darf und zum guten Schluss sagen wir erleichtert „tagherrdoktor“.

(Ernst Jandl, Norman Junge: fünfter sein, Beltz Verlag Weinheim und Basel 1997,1999; Gestaltung von Norman Junge, Köln; Ernst Jandls Werk ist im Luchterhand-Verlag beheimatet)

Ernst Jandl: Lautgedichte und Performance-Poesie https://share.google/Ny5jjSlbfVq8xuI1g

Die Bundesfeier

Der 1.August als Nationalfeiertag der Schweiz geht zurück auf den Bundesbrief von 1291 und nicht auf den Rütlischwur, der (erst im 16.Jh.) auf den 8.November 1307 datiert wurde. 1907 wurde zuletzt in Bezug zum Rütlischwur das 600-jährige Bestehen der Eidgenossenschaft gefeiert, wobei die Berner bereits 1891 in Verbindung mit der 700-Jahr-Feier ihrer Stadt das 600-jährige Bestehen der Eidgenossenschaft auf den 1.August und damit auf den Bundesbrief von 1291 datierten. Diese Urkunde ist eine von mehreren Bundesbriefen, ein Pergamentblatt im Format 320 x 200 mm mit zwei noch erhaltenen von drei Siegeln. 17 Zeilen in lateinischer Sprache halten den Bund der drei „Urkantone“  Uri, Schwyz und Unterwalden (oder Nidwalden) fest. „In nomine domini amen. Honestati consulitur et utilitati publice providetur, dum pacta quietis et pacis statu debito solidantur  – In Gottes Namen Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde.“ – lauten die ersten Sätze. Der Rütlischwur von Vertretern der drei Urkantone auf einer Wiese am Vierwaldstättersee ist historisch nicht belegt, aber bis heute wichtiger Bestandteil des Gründungsmythos und von starkem Symbolgehalt. Wesentlich dazu beigetragen hat Friedrich Schiller mit seinem (1804 letzten fertiggestellten) Drama Wilhelm Tell. Gestützt hat Schiller sich dabei auf die im Weissen Buch von Sarnen erstmals schriftlich fixierte Tell-Legende, der Obwaldner Landschreiber Hans Schriber hat diese Handschrift im Stil der humanistischen Chronik um 1470 verfasst.

Ob das alle wissen, die seit dem gestrigen Abend in der Regio Trirhena den Nationalfeiertag der Schweiz mitfeiern? Basel feiert traditionell in den Tag hinein, das Festgelände umfasst das Kleinbasler Rheinufer von der Johanniter- bis zur Wettsteinbrücke, im Grossbasel erstreckt es sich von der Johanniterbrücke bis zur Mittleren Brücke und zum Marktplatz. Nach Glockengeläut zum Beginn gibt es auf einer Bühne musikalische Darbietungen für Jung und Alt bevor der Abend im 20 Minuten dauernden Feuerwerk gipfelt, das synchron von zwei Rheinschiffen aus gezündet wird. Von meinem entfernten Panoramaplatz genieße ich das perfekte Zusammenspiel und denke zurück an das Sonnenglitzern, das sich einmal beim Anlanden des Kursschiffs an der Tellsplatte aufs Türkisgrün des Vierwaldstättersees legte.

Der Schweizerpsalm wurde 1841 von Alberich Zwyssig, einem Zisterziensermönch des Klosters Wettingen auf Grundlage des Messegesangs Diligam te Domine komponiert, im Jahr 1965 vorläufig und 1981 endgültig zur offiziellen Nationalhymne der Schweiz erklärt (der Text stammt vom Schweizer Dichter Leonhard Widmer).

Und gerade gehen für dieses Jahr die Feierlichkeiten mit weiteren Feuerwerken rundum zu Ende.

Frederick Carl Frieseke

Der amerikanische Maler (1874-1939) mit brandenburgischen Wurzeln, der aber überwiegend in Frankreich lebte, ist heute für unser blütenreiches Gartenglück verantwortlich, leider nur auf dem Büroaufsteller, zu dem wir (manchmal ausgedehnte) Ausflüge unternehmen (Klammer auf, nicht nur die DB hat betriebstörende Personalausfälle, Klammer zu – nein nochmal auf, die Klammer: wir dachten, wenn wir ganz lieb zur S-Bahn sind, dann bringt sie uns nicht nur hin, sondern auch wieder zurück, aber da werden wir uns getäuscht haben – jetzt aber zu die Klammer).

Unsere heutigen Lektüren sind wohl nicht ganz so wonnig wie die der Gartenliebhaberin auf dem Gemälde, aber mit dem hochgelagerten linken Fuß können wir uns durchaus solidarisieren. Zudem haben wir die Möglichkeit, es der Lesenden im Gartenstuhl gleichzutun und ab und an über unsere Lektüren hinwegzuschauen, so dass der Sonnenschirm, der sie sanft beschattet, uns die Sonnenfarbe spiegelt und wir meinen, unser Schreibtisch befinde sich nun im sonnengefleckten Garten. Dann merken wir, dass hinter uns Frederick Carl Frieseke steht, sich zu uns herunterbeugt und uns seine thematische Eingrenzung ins Ohr flüstert: „Sonnenlicht, Blumen im Sonnenlicht, Mädchen im Sonnenlicht, das ist, was mich in den letzten Jahren interessiert hat“.

Wir verstehen ihn gut, schließen uns dann aber dem Nachmittagstee doch nicht an, denn als wir endlich die Bushaltestelle erreichen, sind wir durchaus froh, dass dort ein großer, gut gekühlter Schwarzwälder wartet und uns unter Beteuerung allerbester Absichten in sein Waldhaus mitnimmt: „Der tut nichts, der will nur schmecken!“

Giorgio

heißt der Handwerker, den wir am 30. Juli 1976 kennenlernen und der an diesem Tag die Reparaturarbeiten im Ferienhaus beginnen und beenden wird, womit aber der Kontakt keinesfalls endet, denn am letzten Ferientag an der ligurischen Küste wird Giorgio uns nochmals von selbstgemachtem Weißwein kosten lassen, uns seinen herrlichen Garten zeigen und mit dessen Gaben beschenken,  auch allein für die Mama wildwachsende Oleanderblüten pflücken.

Am 30.Juli kommt er gegen 9 Uhr und wir führen auf Französisch und Italienisch interessante Gespräche. Acht Jahre lang war er als Fremdenlegionär viel herumgekommen und diente in Algerien, Indochina, Japan, China und Vietnam. Außer auf Italienisch und Französisch kann er sich noch auf Arabisch, Vietnamesisch, Chinesisch, Japanisch und Spanisch verständigen, sagt er jedenfalls, und ich meine, „er könnte einem gut Sprachen lehren“. Er schreibt auf Arabisch unsere Namen und macht uns bereits an diesem Tag Geschenke: weil beim Tagebuchschreiben und Bildereinkleben der Uhu ausgegangen ist, spendiert er aus seinem Werkzeugkasten eine Tube Leim und nach der Mittagspause bringt er eine Flasche vom selbstgemachten Wein mit. Wir trinken ihn alle zusammen und Giorgio erzählt von seiner Familie. Bevor wir uns nach getaner Arbeit verabschieden und Giorgio hinterherwinken, fragt er den Papa, „ob er sein copain und sein ami sei“ und der Papa bestätigt das.

Den Tag, an dem wir Giorgio kennenlernten, beschließen wir mit Schreiben, nachdem wir uns noch eine Stunde lang im Meerwasser getummelt und eine tolle Yacht gesehen haben.

Schau an der schönen Gärten Zier

ist eine Zeile aus Paul Gerhardts jubelndem Sommerlied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit…“  Andreas Loos (geb.1969 in Siegen), Automechaniker und promovierter Theologe, von 2002-2022 Dozent für Systematische Theologie am Theolog. Seminar Chrischona und seit 2022 tätig bei Fokus Theologie (Fachstelle für theolog. Erwachsenenbildung der Deutschschweizer Reformierten Kirchen), erzählte neulich vom Thema, mit dem er sich gerade in der Sommerzeit beschäftigen will: der Spiritualität des Gartens. Dazu schreibt er auf https://www.reflab.ch eine vierteilige Blogreihe, zwei Beiträge sind schon abrufbar, vom 20.Juli 2025 „Wetten, es gibt auch für Dich einen Garten?“ und vom 27.Juli 2025 „Raus in den Garten! Push- und Pull-Kräfte für Grünsüchtige“. Wer erfahren will, warum erfülltes Menschsein und Garten zusammengehören, wieviel Gartenvokabeln das Deutsche mindestens besitzt, warum Baumärkte säkulare Tempel der Lebendigkeit sind und die Grünsucht zu den Süchten gehört, die uns gesund machen, dem sei die Lektüre empfohlen.

Im Netz lässt sich auch das Manuskript zu einer Radiosendung des Bayrischen Rundfunks vom 2.April 2024 herunterladen mit dem Titel „Vom Entstehen und Vergehen. Gärtnern als spirituelle Erfahrung“, die Autorin Karin Lamsfuß breitet hier in Gesprächsform verschiedene Quellen zum Thema Sinnsuche im Garten aus.

Im April 2022 habe ich einmal ein Heft erstanden der Reihe Welt und Umwelt der Bibel zu „Eine Ahnung vom Paradies. Gärten in der Antike“.  Pairi daéza aus der altpersischen Sprache steht für einen eingehegten, umzäunten Ort, verwandt ist das hebräische pardes, zu dem Prof.Dr.Sandra Huebenthal (Exegese und Biblische Theologie, Universität Passau) im genannten Heft unter „PaRDeS – im Garten der Schrift wandeln“ über die jüdische Exegese schreibt, die von den (im hebräischen nur geschriebenen) Konsonanten P,R,D,S den vierfachen Schriftsinn der Tora ableitet aus dem Bild des Gartens: P (Pschat) für den unmittelbar zu erkennenden Wortsinn oder Literalsinn, R (Remes) für zwischen den Zeilen Verborgenes, also allegorische Auslegung, D (Drasch) für Forschen und eine Interpretation, die über das geschriebene Wort hinausgehen kann, und S (Sod) für das Geheimnis oder die mystische Botschaft der Tora. Den unterschiedlichen Zugängen gemeinsam sei: „Im Garten der Schrift wächst keine Monokultur“. Weitere Artikel widmen sich z.B. Tempelgärten zwischen Ägypten und Mesopotamien, Lust- und Nutzgärten in Israel, antiken Palastgärten, den hängenden Gärten von Babylon und den verschlossenen Gärten mittelalterlicher Klöster, die sich neben der notwendigen Zweckbestimmung der Versorgung auch zu Orten meditativer Stille und nicht nur durch ihre Kräuter- und Arzneipflanzenanlagen zu heilenden Gärten entwickelten (Abbildungen zeigen z.B. den Klosterplan von St.Gallen, den Arzneigarten von Kloster Andechs, ein Kreuz im Mittelpunkt als Ausdruck der spirituellen Gartenbedeutung im Zisterzienserkloster Marienstatt, den Garten des Klosters Mittelzell auf der Insel Reichenau, der nach dem im 9.Jh. verfassten 444 Verse umfassenden Gartengedicht „De cultura hortorum“ des Abtes Walahfried Strabo angelegt wurde). Eingegangen wird auch auf die Mariengärten, vor allem deren hochsymbolische Darstellung in der Kunst des 15.Jh. (Lochner: Madonna im Rosenhag; Oberrhein.Meister: Paradiesgärtlein; Tafelbild unbekannter Meister: Verkündigung an Maria mit Motiv des hortus conclusus).

Also, kann ich da nur mit Andreas Loos sagen : wetten, dass es auch einen Garten für Dich gibt! Und Du dann mit Walther von Stolzing singen kannst „Voll aller Wonnen, nie ersonnen, ein Garten lud mich ein, Gast ihm zu sein.“

(De cultura hortorum/ Über den Gartenbau , Wahlafried Strabos Lehrgedicht können Garten- und Gedichtliebhaber in einer zweisprachigen Ausgabe Lateinisch/Deutsch erwerben als Reclam-TB 19301; das Zitat der Zeile, die Walther von Stolzing singt, stammt aus dem 3.Aufzug von Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg; Paul Gerhardt hat sein 15 Strophen umfassendes Lied Geh aus, mein Herz, und suche Freud 1653 geschrieben, im evang. Gesangbuch ist es Nr.503)

Wetten, es gibt auch für Dich einen Garten? | RefLab https://share.google/VGNanhTZS2az7hrpc

Raus in den Garten! Push- und Pull-Kräfte für Grünsüchtige | RefLab https://share.google/J5X536lkLNnxmyy1E

(Die Postkarte Fresko in einem Saal der Villa Livia,Detail, Museo Nazionale Romano, habe ich im Winter 1977/78 erworben)

Am 28.Juli 1976

überlegen sie, ob sie nach Hause oder zum italienischen Hoteliersfreund an die Adria fahren sollen – und das, obwohl es ein „echter schöner Sommertag“ ist und „das Wasser noch klarer als sonst!“ Sie waren fröhlich hinunter zum Strand gefahren, ein Auto kam entgegen, sie haben den Leuten zugewunken, im Meer hatten sie Spaß beim Schwimmen mit den Luftmatratzen. Um halb drei aber sehen sie bei der Rückkehr schon von der Straße aus, dass das Außenlicht am Ferienhaus brennt und wundern sich, aber vielleicht sind sie ja versehentlich an den Schalter gekommen. Als erster traut sich dann der Papa hinein ins Haus und sagt nur „Hier brennt auch Licht – hier war jemand.“ Nach und nach entdecken sie aufgerissene Schubladen, durchwühlte Kleidung, ein großes Durcheinander, den kaputtgerissenen Rolladen vorm Toilettenfenster, den sie „ja immer schön zugemacht“ hatten und sie finden „die Tür, die Mama verschlossen hatte, weil das Fenster auf war“ aufgebrochen. Es fehlt der Fotoapparat vom Papa mit den Bildern, die er auf der Hinreise gemacht hatte, das merken sie gleich. Und später vermisst die Teenagerin drei dünne Goldarmreifen, ein silbernes Medaillon und Ersparnisse von 140 DM. „Traurig – aber nicht mehr zu ändern!“  Sie steigen wieder ins Auto, fahren in den Ort zur agenzia, aber der Herr V. ist nirgends zu finden, sie suchen die Polizeistation und finden sie schließlich und die Mama und der Papa erzählen dem Polizeibeamten das Vorgefallene und er verspricht zu kommen. Sie fahren zurück zum Ferienhaus und warten draußen und da überlegen sie sich das mit dem Fahren zum Freund an die Adria oder aber nach Hause. Nachbarn kommen vorbei, die sind aus Mannheim und erzählen, dass hier schon viel eingebrochen wurde, auch der Polizist, der gegen 17 Uhr da ist, berichtet von drei Einbrüchen an diesem Tag, „es muss im Sommer ganz schlimm sein!“ Bald nach dem Polizist kommt die Frau V. von der agenzia mit dem Sohn, der auch deutsch spricht, und mit ihrem Enkelkind und schauen sich alles an. So sind sie schließlich doch wieder im Haus, die Vier, die das Haus gemietet haben, und essen etwas zu Abend, nachdem sie aufgeräumt haben, und dann fahren sie nach Alassio, um einen Spaziergang zu machen inmitten von vielen Menschen und um sich „etwas zu zerstreuen“. Und um E. anzurufen, den italienischen Hoteliersfreund. Zurück im Ferienhaus schlafen die Mama und der Papa in dieser Nacht im Wohnzimmer und nicht im Schlafzimmer.

Am nächsten Tag werden die Vier auf der Terrasse frühstücken, bevor sie auf der Polizeistation alles zu Protokoll geben, dann die Badesachen holen und zum Strand fahren, dort schwimmen und spielen und lesen. Nach dem Mittagessen werden Lesen und Schreiben dran sein, bevor gegen Abend ein anderer Sohn von der agenzia nicht nur das Töchterchen, sondern auch einen Handwerker mitbringt zum Begutachten der Schäden. Der Handwerker wird versprechen, am nächsten Morgen zu kommen und mit den Reparaturen zu beginnen. Nach dem Abendessen werden die Vier sich aufmachen nach Laigueglia zum „schönen Bummel durch die alten Straßen“.