Fantasia

Was macht man an einem regnerischen Sonntagnachmittag? Man macht einen Ausflug nach Rom! Moment mal – befindet man sich beim römischen Politiker und Volkstribun Cola di Rienzo (1313-1354), der 1835 Edward Bulwer-Lytton zu einem dreibändigen Romanwerk inspirierte und in der Folge 1842 Richard Wagner zur Oper Rienzi? Dessen Denkmal an der Cordonata, der Freitreppe zur Piazza del Campidoglio steht ? Ach, man ist bei Bertold III. von Zähringen gelandet, der eher doch nicht im Jahr 1120 Freiburg gründete, das hat wohl sein jüngerer Bruder Konrad I. von Zähringen getan. Macht nichts, die Straße hat man dennoch nach ihm benannt, sein Denkmal allerdings auf dem alten Bertoldsbrunnen wurde im Luftangriff am 27.November 1944 zerstört. Gut, also in der Bertoldstrasse, nicht an der Piazza Cola di Rienzo, das gute Eis gibt es trotzdem und eine chiacchierata mit der Kindheitsfreundin. Dazu als Sahnehäubchen in der Regionalbahn die Lektüre der Dresdner Poetik-Vorlesungen vom November 2023 der in Freiburg lebenden Schriftstellerin Iris Wolff „Einladung ins Ungewisse“.

(Iris Wolff: Einladung ins Ungewisse. Luftwurzeln und Einbäume. Chamisso-Preis & Poetikdozentur. THELEM Universitätsverlag, Dresden und München 2024)

Zwanzigster Sonntag nach Trinitatis

Das Herrnhuter Losungsbüchlein schlägt als Wochenlied für die 45.Kalenderwoche Lied Nr.295 im evangelischen Kirchengesangbuch vor, das sich mit Worten aus Psalm 119 auseinandersetzt. Im Anschluss an seine vier Strophen ist in meiner Gesangbuchausgabe ein Zitat des Literaturnobelpreisträgers George Bernard Shaw (1856-1950) abgedruckt:

Ich bekenne, dass ich, nachdem ich 60 Jahre Erde und Menschen studiert habe, keinen anderen Ausweg aus dem Elend der Welt sehe als den von Christus gewiesenen Weg. Es ist unmöglich, dass die Erde ohne Gott auskommt.

Lied 295 findet sich in meiner kleinen Ausgabe des Gesangbuches mit Silberschnitt und drei Lesebändchen (gelb, grün, violett) im Kapitel „Biblische Gesänge – Psalmen und Lobgesänge“, dem der Vers 12 aus Psalm 30 vorangestellt ist:

Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen.

Reformationstag und Allerheiligen

Gestern war nicht nur Halloween, also All Hallows‘ Eve, der Abend vor dem Hochfest Allerheiligen, sondern auch Reformationstag, der Tag des Gedenkens an den Anschlag von 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg durch Martin Luther am Abend vor Allerheiligen 1517.

Das Herrnhuter Losungsbüchlein zeichnet den heutigen katholischen Feiertag im Gegensatz zum gestrigen Reformationstag nicht gesondert aus, aber wie zu jedem Monatsanfang stellt es den Tagesversen einen Monatsspruch voraus. Ich zitiere den Monatsspruch Hesekiel 34,16a nach der Elberfelder Übersetzung 2006 und den heutigen Lehrtext Lukas 8,15 nach der Luther-Bibel in der revidierten Fassung von 1984:

Das Verlorene will ich suchen und das Versprengte zurückbringen, und das Gebrochene will ich verbinden, und das Kranke will ich stärken.

Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

(Luthers 95 in lateinischer Sprache verfasste Disputationsthesen – Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum – wurden am 31.Oktober 1517 einem Brief an den Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Albrecht von Brandenburg, beigefügt. Der eigenhändige Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg ist historisch umstritten.)

Liebste Freundin!

Ist der Titel des umfangreichen Bandes (kommentierte Gesamtausgabe), der am 1.Oktober aus Anlass des 250. Geburtstages von Jane Austen (geb.16.Dezember 1775) im Manesse-Verlag erschienen ist und erstmals auf Deutsch sämtliche Briefe der jung verstorbenen Schriftstellerin (Verstand und Gefühl, Stolz und Vorurteil, Emma u.a.) enthält, geschrieben zwischen 1796 und 1817 (dem Jahr des Todes). Andrea Ott hat aus dem Englischen übersetzt und Adriana Altaras ein Nachwort geschrieben. Etliche Exemplare des 512 Seiten schweren, schön gestalteten Bandes liegen gestern Abend auf dem Tisch, den eine Buchhandlung zum „Dialogues“-Abend im Basler Literaturhaus aufgebaut hat, aber ich nehme das Buch zunächst nicht mit, sondern zu meiner immer länger werdenden Leseliste hinzu. Einhundertfünfzig Briefe sind es, Jane Austen schreibt „charmant, entwaffnend, ehrlich und gnadenlos heiter“, so Adriana Altaras im Nachwort. „Zugewandtheit“, „wohltemperierte Liebenswürdigkeit“, „Geist“, „Lebhaftigkeit“, „Augenzwinkern“, so charakterisieren Buchbesprechungen das, was in den Briefen von Jane Austens Wesen durchschimmert und im Literaturhaus gelingt es der Schauspielerin und Sprecherin Claudia Jahn gut, dem Publikum appetitanregende Kostproben zu vermitteln. Mit einem englischen Abend feiert das Literaturhaus die Schriftstellerin, in Kooperation mit Rhein Klassik, einer während der Corona-Pandemie gegründeten Kammermusikreihe, und so führen die gelesenen Textpassagen einen fesselnden Dialog mit den Drei Fantasias von Henry Purcell (1659-1695), mit Prelude and Fugue von Gerald Finzi (1901-1956), mit The King’s Alchemist von Sally Beamish (geb.1956) und mit den Six Shakespearian Sketches von Gordon Jacob (1895-1984). Anhaltender Applaus am Ende für Claudia Jahn, für das Trio Candor (Lisa Jacobs Violine, Lech Antonio Uszynski Viola, Christopher Jepson Violoncello) und natürlich für Jane Austen!

Auf meinem alten Band Stolz und Vorurteil aus der Manesse Bibliothek der Weltliteratur (4.Aufl.1985) heißt es „Die Dichterin war nicht viel über zwanzig, als sie diesen Roman schrieb: umso erstaunlicher, welche Lebenserfahrung, wieviel Witz, Ironie und abgeklärte Weisheit hier beisammen sind – heitere wohlgeratene Menschlichkeit.“

Die Blätter fallen, fallen wie von weit ….(R.M.R.)

Schwarzwaldverdichtung

„Der uralte, saubere Höhenort M. über den tiefen Waldtälern um T. und Sch., klammert sich in der Form des glückverheißenden Hufeisens fest an das grüne Herz des mittleren Schwarzwaldes. Hier ist nicht bedrückende Enge. Befreiende Weite der Landschaft trägt den Blick zum Höhenzug der Schwäbischen Alb, bei Wettergunst zu den schneeigen Firnen der Alpen Österreichs und der Schweiz. – Heilkraft der Sonne verbindet sich mit kräftiger Höhenluft und der Würze weiter Wiesen und schattenspendender Wälder. In der zeitlosen Stille der unberührten Natur äst vertrauend dem Menschen das scheue Reh…“

soweit das Zitat aus einem Werbeprospekt des Ortes zwischen Schwarzwald und Baar, in dem ich aufgewachsen bin, die Mutter klebte den (damals noch nicht so genannten) Flyer 1972 in ein Fotoalbum, Text und Gestaltung stammen vom Vater, die Grafik der Titelseite vom Künstler Emil Homolka (1925-2010), der im Nachbarort lebte.

Heute verdichtet sich der Schwarzwald:

In der Lokalzeitung lese ich (und gleichzeitig weist mich eine Bekannte per messenger-Nachricht darauf hin), dass die Schwarzwaldmarie wieder zu haben ist und ich bin rechtzeitig am Start (s. Blogeintrag vom 20.August) und werde das Bollenhut-Mädle bald umarmen können (da es noch klein ist, genügen dafür die Finger) !

Im selben Moment der messenger-Nachricht meldet das (tonlose) Smartphone einen Mail-Eingang: die Antwort auf meine Anfrage an die Gemeindeverwaltung bezüglich Archiv-Recherchen: ja, im kommenden Jahr !

Und die mailende Dame hat ihre Ausbildung noch zu Amtszeiten des Vaters begonnen!

Erinnert sich noch jemand an das 1970 von Heino (hm) gesungene „Im grünen Wald, dort wo die Drossel singt und im Gebüsch das muntre Rehlein springt, wo Tann‘ und Fichten stehn am Waldessaum, verlebt ich meiner Jugend schönsten Traum“ ?  Geschrieben wurde es von Friedericke Kemper (1836-1904), komponiert von Max Oscheit (1880-1923), erstmals gedruckt 1912. Bekannt war es vor allem im südwestdeutschen Raum als Lied vom Rehlein oder als Schwarzwaldlied.  Nach Kriegsbeginn 1914 verbreitete es sich über ganz Deutschland als Jägerlied, das von Soldaten gesungen und umgedichtet wurde. Auch der Schriftsteller Carl Zuckmeyer (1896-1977) trug zur Verbreitung bei: in seinem Lustspiel Der fröhliche Weinberg lässt er Männer dieses Lied singen.

Risotto alla zucca oder Herbstfreuden 5

Es ist Herbst und nicht nur in der Yayoi Kusama-Ausstellung liegen Kürbisse herum. Auch bei uns leuchtet einer kräftig orange in der Küche, Punkte sucht man allerdings vergebens. Statt Punkten bemühen wir also Körner, und zwar Reiskörner, die finden sich im Vorratskämmerchen, in der Sorte Carnaroli, sogar Bio-Qualität. Was machen wir jetzt damit? Wir schneiden den kleinen Hokkaido in hübsche Würfel, die wir wenige Minütchen in Olivenöl andünsten. Derweil haben wir gesalzene Butter und Olivenöl in einem Topf erwärmt, eine feingeschnittene Schalotte und etwas frischen Knoblauch darin glasig werden lassen, bevor wir die Reiskörner dazugeben (die Menge je nach gewünschten Portionen, wenn Hauptgericht, ca. eine halbe Tasse pro Person), die wir nach kurzem Hin- und Herwenden mit Weißwein ablöschen. Leider haben wir keinen Lugana zur Hand, weswegen wir uns mit Markgräfler Grauburgunder begnügen. Wir würzen das Ganze mit Kräutersalz, weißem Pfeffer und gemahlenem Koriander und gießen dann heiße Gemüsebrühe an, die wir in den Reis einziehen lassen. Wenn die Körner sich das erste Mal vollgesogen haben, gönnen wir ihnen die Zugabe der Kürbiswürfel, auf die wir wenig frisch gepressten Zitronensaft geträufelt haben. Wir heben das Orange vorsichtig unter und tränken die Mischung mit dem nächsten kräftigen Schluck Gemüsebrühe, zudem muten wir dem Risotto einen Hauch Chiliflocken zu und ein paar grüne Tupfer in Form von Schnittlauchröllchen. Für die grünen Tupfer könnten auch Salbeiblätter sorgen, das ergäbe eine andere Note. Da capo mit der Gemüsebrühe, al fine – bis dann nämlich, wenn der Carnaroli-Reis sich cremig-sämig verwandelt hat und doch noch ein wenig al dente ist.  Für obendrauf fehlt uns jetzt der Grano Padano, aber wir haben noch einen Rest würzigen Käse vom Herbstmarkt in Sent und auch Provolone, daraus lässt sich das toppende Schneegestöber reiben. Und dazu? Feld- oder Vogerl- oder Nüssli-Salat, den wir – der regio trirhena sei Dank – in Frankreich gekauft haben, wo er mâche heißt. Wir haben seine Blättchen heute mit frischgepresstem Zitronensaft (anstelle von Essig) erfreut.

Das Ursprungsrezept  des risotto alla zucca stammt aus der Lombardei, wo rund um Mantua seit Jahrhunderten Kürbisse angebaut werden, die Zucche mantovane sind außen dunkelgrün, das Fruchtfleisch aber ist orange und sehr aromatisch. Kisten mit Kürbissen hab‘ ich nicht gesehen am 7.September 2024, vor dem Konzert mit dem Süddeutschen Ärztechor in Mantua, Bücher hatten sich auf der Piazza delle Erbe und darüber hinaus ausgebreitet, in Kisten, auf Tischen und sonst wo – aber dem roten Wagen einer Reismühle bin ich begegnet und Lugana habe ich mir munden lassen! Und nach Mantova muss ich unbedingt einmal wieder, nicht nur der Kürbisse wegen!

Ars poetica

Nein, nicht Horaz‘ Briefgedicht zur Dichtkunst ist gemeint, auch nicht Ulla Hahns Gedicht aus dem Lyrik-Band Herz über Kopf, sondern „ars poetica- Lyrik in Lörrach“ titelt die Volkshochschule und lädt zur sonntäglichen Matinée- Lesung in die Bar Dreikönig, wo denn auch jeder zur Verfügung stehende Sitz- und Stehplatz eingenommen wird. Geladen ist der 1963 geborene evangelische Theologe, Lektor, Übersetzer und Autor Mathias Jeschke. Eben erst ist er mit seiner Frau zurückgezogen in den Norden, nun nahe dem Bundesland, den Wäldern und Mooren seiner Kindheit und Jugend. Mit Meeren in Reichweite. Von 1999 bis 2025 war Jeschke Lektor bei der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart und betreute dort u.a. das Kinder- und Jugendprogramm, nun arbeitet er als freiberuflicher Lektor mit an der Übersetzung der alttestamentlichen Apokryphen für die BasisBibel. Bekannt ist er auch als Autor von Kinderbüchern. In der Dreikönig-Bar aber ist der Lyriker zu erleben, im Dialog mit der Lyrikerin Claudia Gabler und bei den Lesungen aus seinen Arbeiten. Vieles, was er schreibt, ist auf Wegen draußen geboren, sagt Jeschke und wir hören es bei der Lesung aus Mauersegler, Pappelrauschen und in Texten aus Ich bin der Wal deiner Träume. Nicht nur das Gedicht Johannes-Passion ist musikinspiriert. Im von Elke Ehninger feinsinnig illustrierten, „stillen“ Band Heuschreckensound of Silence sind Haiku und Tanka versammelt, Jeschke folgt streng den Silben-Vorgaben 5-7-5 oder 5-7-5-7-7, lässt sich aber in Bezug auf weitere Weisungen der japanischen Haiku-Dichtung Freiheit. Liebend gerne nutze er die Vielfältigkeit der Ausdrucksformen, das mache ihm Freude, sagt Jeschke, der Kristallisationspunkt suche sich selbst eine Form. Das Publikum lauscht zum Schluss einem Listen-Gedicht.

Und einer meiner freien Dreizeiler aus dem Juli 2021 (leicht überarbeitet):

passion et patience/ klingen als kluges Wortpaar/ göttliches Prinzip

dazu aktuell:

ars poetica/ leise Lyrik in Lörrach/ Nachhall aus der Bar

(Mathias Jeschke: Mauersegler, Pappelrauschen. Heftreihe phase02, www.schriftsteller-in-bawue.de)

(Mathias Jeschke: Ich bin der Wal deiner Träume. Gedichte. Limbus Verlag, Innsbruck-Wien 2019)

(Mathias Jeschke: Heuschreckensound of Silence. Haiku und Tanka. Moloko Print 272/2025)

https://www.mathiasjeschke.de

Portbou

Als Eisenbahnerort wird der ehemalige Fischerort Portbou in der Comarca Alt Empordà bezeichnet. Kaum Platz ist zwischen den zerklüfteten Ausläufern der Pyrenäen und der vorhandene ist okkupiert von heute völlig überdimensionierten Gleisanlagen und Bahnhofsgebäuden. Ursprünglich war die 1872 eingeweihte und 1929 noch erweiterte Anlage für den internationalen Reiseverkehr konzipiert, jetzt verkehren hier nur noch Nahverkehrszüge. Die zwischen Cerbère und Portbou auf einem Pass verlaufende Grenze zwischen Frankreich und Spanien spielt heute kaum eine Rolle, in den 1930er/1940er Jahren war sie jedoch die kaum zu überwindende Barriere für Menschen, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland und dem besetzten Frankreich über Spanien weiter flüchten wollten. Portbou wurde 1933 bis 1945 zum Sammelort deutscher und französischer Emigranten, die von FluchthelferInnen über die Grenze gebracht wurden. Eine solche Fluchthelferin war Lisa Fittko (1909-2005), sie geleitete am 24.September 1940 Walter Benjamin, den sie aus Pariser Jahren kannte (das Ehepaar Fittko hatte im selben Haus wie Benjamin gewohnt), und zwei andere Flüchtlinge über die Grenze nach Portbou. Die beiden anderen Flüchtlinge (eine aus Aachen stammende Fotografin und ihr 18jähriger Sohn) konnten sich von dort aus nach Lissabon durchschlagen und weiter nach Amerika reisen. Walter Benjamin (geb.15.Juli 1892 in Berlin) jedoch, der wegen einer Herzkrankheit den Fluchtweg nur sehr langsam hatte zurücklegen können, nahm sich in der Nacht vom 25. auf den 26.September 1940 im Hotel de Francia in Portbou das Leben, da er wegen einer neuen Verordnung der spanischen Regierung dennoch eine Auslieferung an die Deutschen befürchtete. Als wichtigste Quelle für seinen Suizid gilt ein Abschiedsbrief an Theodor W. Adorno, den er seiner Mitflüchtenden Henny Gurland (der Aachener Fotografin) ausgehändigt hatte. Gurland hatte diesen Brief nach der Lektüre vernichtet und erst später aus dem Gedächtnis aufgeschrieben. Seit 1979 erinnert eine Gedenktafel auf dem Friedhof von Portbou an Walter Benjamin, der Weg zur Realisierung des auf Anregung des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ab 1989 geplanten Gedenkortes war jedoch mindestens ebenso steinig wie die kleinen Strände von Portbou, so dass dieser erst am 15.Mai 1994 und nicht wie ursprünglich vorgesehen zum 100. Geburtstag Benjamins 1992 eröffnet werden konnte. Lisa Fittko, die Fluchthelferin, war bei der Eröffnung anwesend. „Passagen – Gedenkort für Walter Benjamin und die Exilierten der Jahre 1933-1945“ lautet die offizielle Bezeichnung des vom israelischen Bildhauer Dani Karavan (1930-2021) entworfenen begehbaren Denkmals beim Friedhof von Portbou, etwa 20 Meter über dem Meeresspiegel. Bei der Feier zum 20jährigen Bestehen der Gedenkstätte war außer Karavan auch Wim Wenders anwesend.

Der 20.Juli 2021 ist ein Sommertag, auf dem Türkisblau des Meeres in der schmalen Bucht nur wenige Boote, zwischen den weißen Mauern des Friedhofs kaum Lebende. Eine durchsichtige Glasplatte stoppt den Gang hinunter auf den Treppenstufen des engen Korridors und vor dem Hintergrund der schroff ins Meer fallenden Pyrenäenausläufer lese ich dort auf Deutsch das Zitat „Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht.  Walter Benjamin, G.S. I, 1241“. Es stammt aus Benjamins Notizen zu seinen letzten, in den Wintermonaten 1939/40 entstandenen Thesen Über den Begriff der Geschichte.  

„Ohne Worte“ habe ich zu den Fotos im Juli 2021 auf Facebook geschrieben.

Neunzehnter Sonntag nach Trinitatis

Das Herrnhuter Losungsbüchlein gibt als Wochenspruch für die 44.Kalenderwoche den Vers 14 aus Jeremia 17 an und ich zitiere ihn nach der Elberfelder Übersetzung:

Heile mich, HERR, so werde ich geheilt! Rette mich, so werde ich gerettet!

Und aus dem für den heutigen Sonntag vorgeschlagenen Psalm 32 zitiere ich den siebten Vers:

Du bist ein Bergungsort für mich; vor Bedrängnis behütest du mich; du umgibst mich mit Rettungsjubel.