Hört der Engel helle Lieder

Im Chor haben wir die Proben zur Johannespassion (Konzert am 29.März 2026 als erstes von zwei Jubiläumskonzerten zu 100 Jahre Motettenchor Lörrach; das zweite Konzert am 18.Oktober 2026 u.a. mit einer Auftragskomposition) kurz unterbrochen für die Vorbereitung auf ein weihnachtliches Einstimmen am dritten Adventssonntag. Das titelgebende „Hört der Engel helle Lieder klingen weit das Feld entlang…“ (eigentlich eine französische Weise „Les Anges dans nos campagnes“) wird vielleicht als Mitsing- Zugabe ertönen, das vielfältig zusammengestellte Programm enthält nicht nur englische Carols, sondern auch Bachs „Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesulein, mein Leben“, Praetorius‘ „Es ist ein Ros entsprungen“, das von unserem Dirigenten Joss Reinicke vertonte Rilke-Gedicht „Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie ein Hirt…“ und andere. (Evangelische Kirche Hofen, Sonntag 14.Dezember 2025, 17 Uhr)

Und eine weitere Singfreude breitet sich am Horizont aus: der Süddeutsche Ärztechor plant ein Benefizkonzert in Rom am 30.Mai 2026 in der Nationalkirche der Portugiesen, der Chiesa Sant’Antonio dei Portoghesi (oder Sant’Antonio in Campo Marzio; Via dei Portoghesi 2). Unbedingt will ich da dabei sein, zumal ab dem Pfingstmontag in Rom geprobt wird.

Welch schöne Aussichten!

(die Hoffnung hebt sich wie ein Lied und jubelt – heißt es in einer Liedstrophe, die heute im Herrnhuter Losungsbüchlein abgedruckt ist)

Ein Herbstinterview

Liebe Frau A., was brauchen Sie denn in diesen grauen Tagen, in denen das Wetter nicht die einzige Misshelligkeit darstellt?

Ganz einfach, ich brauche einen Hauch Italien.

Hm, wie bewerkstelligen Sie denn das, wenn Sie gerade nicht die Koffer packen und Richtung Süden entfleuchen können?

Oh, erstmal sag‘ ich Ihnen grazie mille für solche Wortschönheiten wie Misshelligkeit und entfleuchen- da leuchtet der Tag doch schon recht südlich.

Soso, das kommt mir jetzt eher spanisch vor, das sind doch eigentlich missliebige Wendungen. Was machen Sie denn sonst noch?

Ich koche.

Sie kochen? Sind Sie denn Köchin?

Keineswegs. Aber ich finde die Zutaten so apart und das Einverleiben auch.

Das Einverleiben? Sie meinen, Sie speisen gerne?

Das auch, certo, sehr gern sogar! Aber mehr noch, ich will auch die Farben und Formen, die Aromen und Düfte inkorporieren, Sie verstehen?

Äh, ja, also, ich bemühe mich mitzukommen.

Na sehen Sie, ist doch ein Anfang. Immer gut, wenn man sich aufmacht.

Capito, aber was haben Sie denn nun heute in Ihren Koffer gepackt, äh, ich meine, in Ihren Kochtopf geschmissen?

Also, ich muss doch schon sehr bitten, ich schmeiße nicht! Das würde ja die Ingredienzien beleidigen und so etwas bringe ich nicht übers Herz. Allenfalls streue ich und zwar zum Schluss die hauchdünnen Chili- Strings über die Mezzelune.

Sie haben Schlutzkrapfen gemacht?

Wenn Sie die Halbmondförmigen so nennen wollen, ja. Die frischen Halbmonde haben mich irgendwo angelacht, zumal sie mit ein wenig Herbst gefüllt waren, mit Kürbis nämlich, dazu mit Salbei und Mascarpone.

Aha, und dann?

Dann hab‘ ich sie mitgenommen und ihnen ein kurzes Bad in Gemüsebrühe gegönnt, bevor ich sie in Olivenöl gewärmt habe. Dort hab‘ ich sie aber nicht alleine gelassen, sondern ihnen ein paar feine Lauchzwiebelröllchen und in dünnste Scheiben geriebene Zucchetti als Begleitung gegeben.

Und obendrauf das feurige Rot der Chili-Strings?

Giusto, richtig, wie ein Gespinst. Ich merke schon, Sie reisen mit!

Das war’s jetzt?

Nicht ganz, ein bisschen Grün hat mir noch gefehlt, Blattpetersilie bot sich an, dem Mangel abzuhelfen.

Ah, die Tricolore, ich begreife passo per passo.

Freut mich zu hören. Dann können Sie vielleicht jetzt auch schon erahnen, welches Getränk die Speise komplettiert hat?

Warten Sie, ich überlege, sprachen Sie nicht neulich davon, dass Ihnen der Lugana fehlt?

Ecco, tatsächlich, Sie haben es gefunden, ein Gläschen Lugana, imbottigliato da Cantine di Verona!

Das Hagebuttenlied oder Herbstfreuden 9

So eine Kälte!

Dort hinter Regenfäden

Hagebuttenrot!

Beim Anblick der Hagebutten fällt mir das alte Kinderlied ein, der Germanist, Dichter, Sammler und Herausgeber alter Schriften August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) schrieb es, die Melodie stammt vom Niederrhein. Ich habe es schon im Kindergarten gesungen. Ist es dort immer noch en vogue? Ich werde nachfragen beim Purzel und beim groß gewordenen Jemand. Im großen Liederbuch, das 204 deutsche Volks- und Kinderlieder sowie 156 bunte Bilder von Tomi Ungerer versammelt, ist es auch enthalten, jedoch fehlt die dritte Strophe, die des Rätsels Lösung enthält und gemäß Hoffmann von Fallerlebens Anweisung nicht mehr zu singen, sondern zu sprechen ist:

Ein Männlein steht im Walde/ganz still und stumm,/es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um./Sagt, wer mag das Männlein sein,/das da steht im Wald allein/mit dem purpurroten Mäntelein?

Das Männlein steht im Walde/auf einem Bein,/und hat auf seinem Haupte schwarz Käpplein klein./Sagt, wer mag das Männlein sein,/das da steht im Wald allein/mit dem kleinen schwarzen Käppelein?

Das Männlein dort auf einem Bein,/mit seinem roten Mäntelein/und seinem schwarzen Käppelein,/kann nur die Hagebutte sein.

(Haben wir nicht als Kinder auch die Hagebutten ausgepuhlt, und uns gegenseitig mit dem Juckpulver bedacht? In meiner Erinnerung spüre ich, dass jemand von hinten etwas unter den Halsausschnitt meines Pullovers reibt, und dann…. Uuuhh, fies!)

(Das große Liederbuch, 204 deutsche Volks- und Kinderlieder, gesammelt von Anne Diekmann, unter Mitwirkung von Willi Gohl, mit 156 bunten Bildern von Tomi Ungerer; Lizenzausgabe mit Genehmigung der Diogenes Verlag AG, Zürich, copyright 1975 Diogenes-V.)

Ewigkeitssonntag

Aus dem Lukasevangelium stammt der Vers, der im Herrnhuter Losungsbüchlein der Kalenderwoche 48 zugeordnet ist (Kap.12,Vers 35):

Eure Lenden sollen umgürtet und eure Lampen brennend sein!

Der alttestamentliche Tagesvers ist Vers 6 aus Kap.49 Prophet Jesaja:

So mache ich dich zum Licht der Nationen, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.

(zitiert nach der Elberfelder Übersetzung 2006)

Der letzte Sonntag des Kirchenjahres, der sog. Toten- oder Ewigkeitssonntag ist von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Jahr 1816 als „allgemeines Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“ eingesetzt worden, u.a. deswegen, weil es zuvor ein Totengedenken im evangelischen Kirchenjahr nicht gab.

Gestern hatte ich die Freude, in besonderer Weise verstorbener Familienvorfahren zu gedenken: jemand erzählte prägende Erinnerungsbilder.

(Aurora, heute 7:36 Uhr)

Rast auf der Flucht nach Ägypten

Die Szene aus Rilkes Gedichtzyklus Das Marienleben war der Abendanschluss an den frostigen „Weihnachtszauber“ des Kindergartens. …und sie wurden vor sich selber bange/nur das Kind war namenlos getrost…..er verneigte sich. Derselbe Baum,/ dessen Kränze toten Pharaonen/für das Ewige die Stirnen schonen,/neigte sich. Er fühlte neue Kronen/blühen. Und sie saßen wie im Traum.

In diesem Jahr häufen sich allerlei Gedenktage, die man vielfältig würdigt, so auch der 150.Geburtstag des in Prag am 4.Dezember 1875 geborenen Rainer Maria Rilke. Mit welcher Musik die Rezitationen garniert sein würden, war der Ankündigung auf Plakaten und im VHS- Programm nicht zu entnehmen. Umso erfreuter lauschte ich (im dafür nicht unbedingt geeigneten Raum) dem ganz eigenen Wohlklang der aus Buchsbaumholz gefertigten und mit wenig Mechanik versehenen historischen Klarinette und dem ihrer Verwandten (Diskant-Chalumeau, Kynseker-Flöte), die Christian Leitherer virtuos und mit inniger Zuwendung zu spielen versteht. Leitherer gehört zu den wenigen europäischen Spezialisten für historisches Klarinettenspiel und ist in verschiedenen nationalen und internationalen Formationen tätig. Dass er in meiner nächsten Nähe wohnt, hatte ich nicht gewusst. Die Instrumente zu fotografieren, hat er mir im Anschluss an die Veranstaltung gestattet.

Mein (schmaler) Insel-Bücherei- Band Nr. 43 Das Marienleben gehört zum 91.-100.Tausend des Drucks der Offizin Haag-Drugulin AG in Leipzig und ist in Frakturschrift gedruckt, auf der ersten Seite versehen mit dem Namensschriftzug eines längst verstorbenen Onkels (blaue Tinte).

Eine Kuh, solistisch

Am Thuner See hat es geschneit, wie ich auf in social media geteilten Bildern sehen kann, es herrscht kein „Martinisommer“ mehr. Zwischendurch überfliege ich regionale Tageszeitungen, die ich während der „Stillen Tage“ verpasst habe. Und stoße beim Donnerstag, 13. November auf eine Ausreißerkuh, die ihr Leben noch nicht beendet haben wollte und daher vom Weg zum Schlachthof abgewichen ist. Sie zog es vor, für Wochen solo durch den Wald zu streifen, bis sie neue Gefährten und Gefährtinnen erkor, mit denen ihr offenbar wohl war, denn – nachdem sie einen Zaun durchbrochen und sich auf fremder Weide inmitten einer Schafherde niedergelegt hatte, blieb sie dort und ließ sich nicht vertreiben. Kuh und Schafe konnten sich gut riechen (meldeten Nüstern und Zeitung) und lebten einträchtig miteinander bis ….

Tja, wie geht die Geschichte weiter?

So viel sei verraten: die Kuh mit dem Namen eines fliegenden Insekts musste zwar das Bundesland wechseln, aber ein Schlachthof bleibt hinter allen Bergen, Kuh M. genießt weiter Grünfutter und Leben und solo ist sie auch nicht mehr!

(kurze Netzrecherche zeigt, dass Kuh M. bereits zum Filmstar avanciert ist: Filmreife Flucht: Kuh entkommt Schlachthof – Video | hessenschau.de https://share.google/N1ZuekLr85zTi0y5D )

(Foto vom 13.November 2025)

Schreibspiel

(in der Schreibschule Sent am 13.April 2025, etwas überarbeitet)

Es ist ein Regentag. Mariana hat Langeweile. Sie schaut aus dem Fenster des Kinderzimmers. Niemand ist draußen außer den Regentropfen, die in eine Pfütze springen. Mariana beobachtet, wie im Wasser Kreise entstehen, die nach außen laufen. Ob das auch passiert, wenn sie in die Pfütze springt? Plötzlich will sie unbedingt nach draußen und das probieren. Sie rennt in den Flur, wo sind bloß die Gummistiefel? Mariana kickt ungeduldig die roten Lackschuhe und den bunten Rucksack zur Seite, aus dem die Vesperbox und ein angebissener Apfel kullern. Da sind ja die Gummistiefel! Mariana bückt sich und will sie unter der Schuhbank hervorziehen, da bemerkt sie noch etwas in der Ecke, ganz voll Staub, was kann das sein? Sie streckt den Arm aus und greift etwas Weiches: ihr altes Kuscheltier, der braune Elefant! Wie er ihr gefehlt hatte! Mariana pustet die Flusen weg und drückt das dunkle Plüschtier an sich. Soll sie Tuffi mit nach draußen nehmen? Dann ist sie nicht so allein! Im Haus ist es ganz still, die Mama liegt im Bett, sie braucht viel Ruhe, hat der Papa gesagt, bevor er zur Arbeit ging, die Mama hat Gürtelrose. So ein komisches Wort, Mariana hat es erst kürzlich gelernt. Sie hat es lernen müssen, weil die Mama nämlich krank ist. Zuerst hat Mariana sich gewundert, dass eine Rose krank machen kann. Und was ein Gürtel mit einer Rose zu tun hat, hat sie sowieso nicht verstanden. Dann war ihr eingefallen, dass sie einmal mit ihrer Freundin Gela Gänseblümchen gepflückt und zu einem Kranz geflochten hat, aber das war ja dann ein Haarreif und kein Gürtel. Schließlich hat die Mama Mariana die vielen Bläschen gezeigt, die in einem Streifen vom Rücken bis zum Bauch ziehen und Mariana hat verstanden, warum es Gürtel heißt. Aber Rose? Sie weiß nicht. In letzter Zeit sind viele neue Worte in ihren Kopf geraten, sie schwirren dort herum wie seltsame Wesen und manchmal rutscht Mariana dann durch ein Abflußrohr auf dem Schrottplatz und nicht hinter Gela durch die gelbe Tunnelrutsche auf dem Spielplatz oder der Violinschlüssel hängt zu hoch und Mariana kriegt ihn nicht zu fassen, dabei gefällt ihr doch seine Farbe so gut, besser noch als pink und rosa. Wenn doch nur die Mama wieder gesund wäre! Dann gehen sie nämlich zusammen in die Bibliothek, das hat die Mama versprochen, dort gibt es Bücher mit Bildern zu den komischen Worten, die wollen sie mitnehmen und anschauen, dann wird das Schwirren weniger und die Langeweile auch. Aber jetzt, rasch rein in die Gummistiefel, raus vor die Tür und in die Pfütze springen! Los, Tuffi, komm!

Und noch eine Hörempfehlung (Gespräch mit der Schriftstellerin Mariana Leky) : Der Sonntagsbrunch: Promis im Gespräch · Mariana Leky: „Bei jedem Buch steht man wieder bei Null, am Anfang“ · Podcast in der ARD Audiothek https://share.google/ruuFteeL4urQMiSNP

Buß- und Bettag

Der Buß- und Bettag ist ein evangelischer Feiertag und im Herrnhuter Losungsbüchlein als solcher ausgewiesen und mit einem Extra-Spruch versehen. Aber wer erinnert sich überhaupt noch daran, was es mit ihm auf sich hat?

Fragt man Wikipedia, erfährt man von der wechselvollen Geschichte des Tages. Immer wieder wurden als Reaktion auf aktuelle Nöte und Gefahren Buß- und Bettage angesetzt, die zu Umkehr und Gebet aufrufen sollten (warum sind es so oft nur Nöte und Gefahren, die zu solchen Aufrufen führen?). Seit dem Ende des 19.Jahrhunderts wird der Tag immer auf den letzten Mittwoch vor dem sogenannten Ewigkeitssonntag datiert, also dem letzten Sonntag des Kirchenjahres, und fällt daher in diesem Jahr auf den 19.November. Hin und her ging es mit dem Buß- und Bettag, es gab ihn auch im Plural, 1878 zum Beispiel waren es in 28 deutschen Landen gesamt 47 Bußtage an 24 unterschiedlichen Tagen. Ab 1990 war der Buß- und Bettag ein deutschlandweiter Feiertag, nachdem er nach der Wiedervereinigung auch von allen östlichen Bundesländern übernommen worden war. Und warum gibt es ihn seit 1995 nur noch in Sachsen? Weil im Jahr 1994 beschlossen wurde, den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Feiertag ab 1995 zu streichen, um der Mehrbelastung der Arbeitgeber durch die Beiträge zur neu eingeführten Pflegeversicherung durch Mehrarbeit der Arbeitnehmer entgegenzuwirken (wobei in Baden-Württemberg zunächst stattdessen die Abschaffung des Pfingstmontages diskutiert worden war; in Sachsen zahlen die Arbeitnehmer als Ausgleich einen etwas erhöhten Beitrag zur Pflegeversicherung). Aufgrund der Feiertagsgesetze gibt es Sonderregelungen allgemein und im Besonderen, zum Beispiel in Bayern und in Berlin: in Bayern ist der Tag offenbar unterrichtsfrei, für die Lehrpersonen aber nicht dienstfrei, denn es werden Pädagogische Tage abgehalten mit Themen zu Erziehung und Bildung, in Berlin besteht wohl für evangelische Schüler keine Verpflichtung zum Schulbesuch (ist das noch so, wie es in Wikipedia beschrieben ist? – der Artikel wurde tatsächlich vor zwei Tagen aktualisiert). Festgesetzte Bußtage oder -zeiten gab es auch bereits in der Antike, zum Beispiel die „feriae piaculares“ in Rom, die in Krisen- und Kriegszeiten ausgerufen wurden.

Ich erinnere mich, dass an der Schule meiner Nachkommen der Buß- und Bettag als Tag der Besinnung gewürdigt wurde.

(Wegkapelle; Foto vom 13.November 2025)

Mülleimermeinung

Ich sammle Mülleimer oder Mülleimer sammeln mich, so ganz genau weiß ich das nicht. Jedenfalls stehen sie überall herum, wo ich auch bin, und haben eine Meinung. Zu diesem und jenem. Nicht nur zu Symphonien. Oder Philharmonien. Die ich nur von außen hören und sehen konnte. So dass mir Hören und Sehen nicht verging. Irgendwann will ich die mal einstecken, so richtig in mich hinein. Oder besser: mich in sie hinein stecken. Zum Hören und Sehen. Und Riechen und Schmecken und Tasten. Also nicht in die Mülleimer, die haben’s ja ohnehin schon mit mir. Nee, aus- und einbaufähig sind Symphonien und Philharmonien, etymologisch und sonst wie. Sonst wie oder vielleicht sonst noch was? Ah ja, stimmt: Gleichgewicht und Bewegung! Da staunt ihr, Mülleimer, nicht wahr? Ha, so dynamisch seid ihr nicht! Eher festgefahren. Naja, dann bringt euch wenigstens nichts so schnell aus dem Gleichgewicht. Nicht mal Christian. Der hat sich nämlich gemeldet. Wenn auch nur kurz:

Jetzt war es doch passiert. Christian hatte es ja gewusst. Das kam davon, wenn man einen Seidenschlafanzug mit nach Hause nahm. Dabei war er doch jetzt gar nicht zu Hause. Das wars. Besser vielleicht, er wäre da geblieben, also zu Hause. Hätte sich ins Bett gelegt zum weißgepaspelten Schwarzen, das machten sie jetzt nämlich so, der Schlafanzug lag rechts, Christian links. Dann konnte er den kühlen Stoff berühren, wenn ihm danach war, mit seiner rechten Hand, der guten. Dem Schlafanzug gefiel das. Hatte er mal gesagt, jetzt war er eher still, ein stiller Genießer. Dass er genoss, verriet er mit einem kaum merklichen Blinzeln seiner vier Knöpfe. Christian liebte das Zwinkern des schimmernden Schwarzen, er konnte es nun sogar im Dunkeln sehen und war sicher, dass es nicht bloß ein Blinken war. Nicht nur nächtlich, nein auch täglich beglückwünschte er sich: wie gut, dass ich damals den Schlafanzug zurück gegrüßt, die letzten Schritte beschleunigt und die Türklinke zum feinen Herrengeschäft in die Hand genommen habe!

Nun aber war Christian nicht zu Hause, sondern unterwegs. Seit der Schlafanzug das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, ging Christian samt seiner angegrauten Haare viele Wege, nicht nur den ins Herrengeschäft. Wege, die er vage erinnerte. Wege, die er lange nicht betreten hatte. Wege, die er einmal fantasiert hatte. Manchmal ging er langsam und tastend, etwas unbeholfen, wie das so seine Art war, manchmal auch schnell und sicher. Und da war es nun passiert: jetzt sprachen sogar die Mülleimer mit ihm! Hatte er’s doch gewusst! Aber, was war das? Christian horchte in sich hinein und – noch ein klitzeklein wenig erstaunt – stellte er fest: mir ist nicht mehr mulmig! Salvete, Mülleimer, einen guten und schönen Tag euch! Ihr seid da und ich bin es auch, tatsächlich ganz und gar.

(siehe auch Blogbeitrag vom 3.Januar 2025)