Es ist der Neujahrstag und nach dem heftigen Feuerwerkssturm der Nacht bleibt neben der Spreu versprengter Feuerwerkskörper auf dem Hügel eine Lautlosigkeit zurück. Das Wetter ist weiterhin freundlich gestimmt und so beschließe ich, vom Haus aus loszugehen. Ohne Berührungsangst haben sich auf den kobaltblauen Stelen des Bildhauers Volker Scheurer grüne Flechten niedergelassen und bilden ein blumiges Muster. In der Röhrigasse lädt ein Schild Weinfreunde und Wanderer ein, dem ersten grenzüberschreitenden Weinweg der Region zu folgen und wie es sich gehört, tut es das auf weinrotem Grund. Eine dünne Eisschicht bedeckt noch das Pflaster der Wasserabflussrinne rechts und zeugt vom frostigen Morgen, links hat die Sonne bereits den Raureif vom braunen Herbstlaub getaut, das am Gassenrand überdauert hat. Im Gras oberhalb der Stützmauer, die einen Himmelsanstrich trägt, leuchtet herbstlaubbraun eine verwaiste Bierflasche. Ein Stück weiter oben fehlen die Schafe, die neulich hier zwischen den kahlen Rebstöcken grasten und aus dem wolligen Winterfell dunkle Gesichter erhoben, um Spaziergänger zu betrachten.
Gerade beginnen erste Sportaffine, ihre Neujahrsvorsätze zu verwirklichen und treten hügelan kräftig in die Pedale, zu Weihnachten hat man ihnen voluminöse Profi-Helme geschenkt, so dass sie fast aussehen wie Astronauten. Ich raste lieber auf einer Bank, wo die Sonne wärmt als wäre sie schon eine Märzensonne, auf den Juraausläufern und den Vogesenhöhen residieren weiße Schneefelder und ein Dunstband zeigt mir den Verlauf des Rheins. Bekannte kommen vorbei, bleiben stehen und außer dass wir uns Gutes wünschen hinein ins frische Jahr, sprechen wir über die bis in frühe Morgenstunden ausufernde Böllerei und davon, wie unbeholfen, aber keineswegs untätig uns Ausfälle des Internet- Providers hinterlassen, schließlich sind wir noch im Besitz alter Radios und Briefpapier ist auch vorhanden.
Das Ehepaar geht weiter, ich bleibe noch ein wenig und frage mich, ob diejenigen sich wirklich als „Heroes of Fire“ fühlen, die neben der Bank die Hüllen gezündeter Lichterstäbe hinterließen, und warum sie keine Helden der Müllsammlung sein wollen.
Als die Uhr der Altweiler Kirche einmal schlägt und plötzlich von unten ein Martinshorn heraufhallt, stehe ich auf und folge dem Feldweg Richtung Westen. Zur Rechten leuchtet das kräftige Rot der Hagebutten aus Brombeergestrüpp, bunte Bienenstöcke stehen verschlossen, links habe ich eine Weile noch die Sonne zur Seite, bis ich mich umwende und einen tiefer gelegenen Weg zurück nach Osten nehme. Im Gewann Sänger klärt mich das Schild Nr.29 des Weinwegs über eine uralte Sorte auf, seit dem 4.Jahrhundert ist der Anbau der dunkelblauen dichtbeerigen Trauben im Burgund belegt und im Jahr 1318 in Schloss Salem die Sorte urkundlich bezeugt, die in Deutschland auch als Spätburgunder, in Frankreich als Pinot noir und in der Schweiz als Blauburgunder bezeichnet wird. In Gedanken erhebe ich mein Glas und grüße Hügel und Dreiland mit einem kräftigen „Prosit Neujahr!“
