Muuhhh

Ankunft in Sent, Unterengadin. Auf dem Sims im Eingang des Hauses reihen sich Steine. Jon kennt alle Kühe mit Namen.

Am nächsten Tag Schreibaufgaben, die erste entlang von Postkarten. Ich wähle das Schweizer Braunvieh.  Die zweite lässt erst den Meister Matsuo Basho (1644-1694) sprechen: „Geh zur Kiefer, wenn du etwas über Kiefern lernen willst, oder zum Bambus, wenn du etwas über Bambus lernen willst….“ Wir gehen nicht zur Kiefer, auch nicht zum Bambus – für uns liegen Steine auf dem breiten Fensterbrett. Ich wähle und versuche:

Du bist nicht groß, auch nicht klein. Ich umschließe dich mit drei Fingern, die Kuppe meines Daumens ruht in einer Mulde zwischen deinen Ohren. Ich denke „Ohren“.  Du erinnerst mich an den Schädel einer Kuh, mit deinem Dreiecksgesicht. Und dem weißen Quadrat um den dunklen Kern deiner Nüstern. Ich spüre deine Unebenheiten, mit denen du dich vielleicht eingepasst hast in deine Umgebung, vielleicht auch nicht. Feine weiße Adern durchziehen dein Anthrazit, eine umschließt dich ganz, rundherum. Bist du ein Basalt? Ich kenne mich nicht aus. Du liegst gut in meiner linken Hand und verlierst langsam deine Kühle.