Kapelle im Engadin

Eigentlich will ich nur meinen Museumspass verlängern und radle über den Hügel ins Dreiländermuseum der Nachbarstadt. Stimmt, dort ist ja im Hebelsaal die kleine Ausstellung zu Hermann Daur, eine von mehreren Ausstellungen regionaler Museen, die dem am 21.Februar 1870 in Lörrach/Stetten geborenen und am 21.Februar 1925 in Weil am Rhein/Ötlingen gestorbenen Maler, Zeichner und Sammler anlässlich seines 100.Todestages gewidmet sind. Ich erwarte die Landschaftsgemälde des Markgräflerlandes zu sehen, von denen ich einige bereits kenne und dann … bin ich plötzlich wieder im Engadin! Und schaue durch das Glockenfenster eines Kirchturms auf die Stelle, wo sich beschneite und unbeschneite Flächen der Engadiner Berge treffen. Ich laufe zwischen winterlich gewordenen Wiesen auf die mauerumschlossene Kapelle zu, deren Giebel die Form der Berge spiegelt und  – stehe ich jetzt nicht auch im eigentümlichen Engadiner Leuchten? Ausschlaggebend für Daur seien Charakter und Stimmung der jeweiligen Landschaft gewesen, heißt es in einem der Saaltexte, er habe sich keiner festen Stilrichtung verschrieben.

(Kapelle im Engadin, Kreidelithographie, Druck in zwei Farben, um 1908)

Auch am Meer finde ich mich unvermittelt wieder, an der Nordseeküste bei Duhnen, wo sich Hermann Daur ab 1895 des Öfteren aufhielt und wo er seine spätere Frau Margarete Boldt kennenlernte, die in der Ausstellung mit zwei Portraits vertreten ist: um 1900 ein „Seitenblick … unter französischem Einfluss“ , wie der Begleittext meint, aufgrund „der Lebendigkeit des Augenblicks und des Komplementärkontrastes des dunkelroten Kleides zur zartgrünen, ornamentreichen Tapete“ und  ein 15 Jahre später gemaltes en face – Portrait.

„Einsamer Baum am Waldrand“ ist ein Motiv, mit dem sich Daur wiederholt, intensiv und variantenreich beschäftigt, die Ausstellung zeigt zwei Kaltnadelradierungen und ein Ölgemälde mit der je „einfachen Bildkomposition“ einer Horizontalen (Wiese) und einer leicht diagonalen Vertikale (hochgewachsener Baumstamm).

Und dann treffe ich noch auf ein Wort, nach dem ich gesucht habe, als ich neulich am Höhenweg fotografierte: Hocke. Auf meinem Foto sind es Grashocken, also aufgeschichtete Grashaufen, Hermann Daur faszinieren die Getreidehocken abgeernteter Kornfelder und er malt in der Zeit seiner Anlehnung an den Impressionismus etliche Variationen des Sujets unter „weitem Horizont“ und in „atmosphärischem Licht“.

Hermann Daur: Maler und Mensch in Ötlingen | Museums-PASS-Musées https://share.google/ZcCRroLlM6WEpnRJT

Quelle: Museen Basel https://share.google/OtU1IGNeLS25m8BvR