Im Strandkorb

Wie gut, wenn man Leseplätze wechseln kann! Heute wähle ich einmal den echten Sylter Strandkorb, der – wie auch immer – vor einigen Jahren hierher gefunden hat. Meist ist er nun ein Häuschen für einen groß gewordenen Jemand und den, den ich gerade Purzel nenne, weil mit einem Mal ein Wort nach dem anderen munter aus ihm heraus und er nicht minder munter in allerlei Gegenden mit allerlei Beschäftigungen herum purzelt. Auch hat wohl mindestens eine herbei gelaufene Katze den Strandkorb zum Ruheplatz erkoren, wie ich an den vielen, vielen Härchen sehe, die die Sitzfläche – naja – zieren. Ich werde wohl also erst etwas säubern müssen, bevor ich im Strandkorb zu meiner Lektüre greifen kann, in der zum Beispiel (die am 11.Februar 1869 in Elberfeld geborene und am 22.Januar 1945 in Jerusalem gestorbene) Else Lasker-Schüler den ganzen Winter über ans Meer denkt. Weit breite ich die Flügel aus und weiß nichts mehr als dies: Schweben – Vogelsein! – das Zitat ist dem Kapitel vorangestellt, das von Lasker-Schülers Liebe zum pommerschen Ostseebad Kolberg erzählt.

Der Name Pommern leitet sich offenbar von einem slawischen Ausdruck ab, der „am Meer“ bedeutet, im Polnischen po morzu : am Meer, entlang des Meeres –  oder po morze: bis zum Meer; das sagt jedenfalls Wikipedia.

Leider kann ich die Menschen, die auf den alten Familienfotos in eher steifer oder aber in sommerlich- lockerer Kleidung am Meer stehen, nicht mehr fragen, an welchem Ort genau sie aufs Meer oder in die Kamera blicken, aus früheren Familienerzählungen der Mutter und der Großeltern erinnere ich aber, dass es Ferienaufenthalte an der Ostsee waren.

Gedichte und auch Prosa-Texte von Else Lasker-Schüler habe ich in jungen Jahren gerne gelesen. Heute lese ich weiter in „Schreiben am Meer – Wo der Himmel größer ist“ (Kristine von Soden, Transit-Verlag, Berlin 2024; die Autorin hat das Buch ihrer Mutter gewidmet).