Gründonnerstag

Ich erinnere nicht mehr das genaue Datum, aber ich erinnere, dass ich ungefähr neunzehn Jahre alt war, als ich meine Knie auf die erste der 28 Stufen der Scala Sancta beugte. Die Scala Sancta liegt gegenüber von San Giovanni in Laterano, der Hauskirche der Bischöfe von Rom, in der traditionell am Gründonnerstag der Papst und Bischof von Rom die Fußwaschung durchführt, ein Ritus, der zurückgeht auf das im 13.Kapitel des Johannesevangeliums beschriebene Geschehen: während des letzten Abendmahles am Vorabend seines Kreuzestodes wäscht Jesus seinen Jüngern die Füße. (In der Antike, im Orient war die Fußwaschung ein gängiges Ritual und Zeichen der Gastfreundschaft, siehe auch 1.Mose 18,4; Papst Franziskus verlegte den Ritus gerne aus der Lateranbasilika in Gefängnisse).

Die Legende erzählt, dass der Kreuzweg Jesu auf den Marmorstufen der Scala Sancta begann, sollen es doch die Stufen des Aufstiegs zum Praetorium gewesen sein, dem Palast des römischen Statthalters in Jerusalem, also des Pontius Pilatus. Seit dem 4. Jahrhundert befindet sich die Treppe schon in Rom, denn Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, soll sie im Jahr 325 nach Christus in Jerusalem bei Grabungen gefunden und nach Rom gebracht haben. Seit dem 18.Jahrhundert schützt eine Holzverkleidung die Stufen, denn als Folge der herausragenden Bedeutung für Pilger waren die Marmorstufen bereits bis zu 15 cm tief abgewetzt.

Ich wollte dem Gründonnerstagsgeschehen nahe sein. Es war nicht wichtig, ob es nun wirklich die Stufen hinauf zum Palast des Pontius Pilatus waren, die Geschichte der Treppe aber schuf eine Verbindung. Auf Knien und im Nachdenken über das Geschehen am Vorabend des Kreuzestodes Jesu nahm ich die 28 Stufen der Scala Sancta hinauf.