
An einem Samstag Anfang Mai locken die Reiss-Engelhorn-Museen mit ihrem Slogan, einen unvergesslichen Tag zu erleben, zumal es um kulinarischen Genuss gehen soll. „Essen und Trinken“ ist der Titel der Ausstellung und versprochen werden Reisen durch Körper & Zeit – aber das Erste, was meinem jungen Begleiter und mir begegnet, ist der Hinweis auf die zeitliche Begrenztheit dieses Genusses (zugegebenermaßen sind wir spät dran). Also müssen wir uns entscheiden, welche Reise wir an- und welches Gebäude wir be-treten und da ich der Meinung bin, mich mit Reisen durch den Körper bereits einigermaßen auszukennen, fällt die Wahl auf Reisen durch die Zeit. Ein großer Aufzug entlässt uns ins richtige Stockwerk des Zeughauses (die zeitliche Begrenztheit wurde uns zuvor erneut freundlich und auf die Minute genau deutlich gemacht) und dann beginnen wir die kulturgeschichtliche Entdeckungstour bei der Altsteinzeit („viel Fleisch, viel Bewegung“) und sind gespannt auf die weiteren Etappen, nur etwas verwundert über den Mangel an Mitreisenden (aber dann fällt uns ein, dass sie wahrscheinlich anderer Kulinarik frönen). Der Ausstellungsteil sei auch für Kinder in Begleitung Erwachsener geeignet, wirbt das Museum – gut, das Kind ist schon herangewachsen und die Erwachsene bereits fortgeschrittenen Alters, so dass wir Feuermachen und Melken bei den Mitmachstationen auslassen (wir wollen ja auch Zeit sparen) und darauf verzichten, uns mit der Sammlung von Rezeptkarten durch die Epochen zu kochen (obwohl es hübsch sein muss, sie – wie angeraten – am Ende der Ausstellung zu einem Kochbuch zusammenzubinden). Lieber erfahren wir etwas über Messergriffe in Form einer Spargelstange im alten Rom (die Römer mochten den Spargel wegen Geschmack und Gesundheitsförderung), über das Früchtestillleben der Malerin Rachel Ruysch (sie lebte von 1663 bis 1750 und malte das Werk 1708, als sie zur Hofmalern des Kurfürsten von der Pfalz gekürt wurde), wir laben unsere Augen an Schaugerichten wie der italienischen Fayence mit Feigen aus dem 18.Jahrhundert und bestaunen den appetitlich grünen Glanz der französischen Deckelterrine mit Unterplatte in Form eines Kohlkopfes (wobei wir lernen, dass Kraut im 18.Jh. nicht nur ein Arme-Leute-Essen war, sondern auch in höfischen Kreisen mit teuren Gewürzen versehen als Beilage, Pastete oder Salat auf den Tisch kam). Irgendwann landen wir in der Gegenwart mit Blick in die Zukunft und da wird mir doch ein wenig mulmig, denn dass Lebensmittel aus dem 3D-Drucker mit ihren neuen Strukturen und Texturen wirklich auf der Zunge zergehen und das Aromadesign voll entfalten werden, überfordert gerade meine Vorstellungsmöglichkeiten. Gut, dass just in dem Moment die Minute der Zeitgrenze beginnt! Und da spuckt der große Aufzug auch schon die Mitarbeiterin aus, die freundlich mahnt, sich auf den Weg zu machen, aber der junge Begleiter und ich haben ihn schon begonnen, wir betreten den Aufzug und lassen uns nach unten tragen (zuvor haben wir natürlich einen genüsslichen Feierabend gewünscht). Schade nur, dass wir nicht mehr die gläsernen Trinkgeschichten hören können, die Trinkgefäße von Antike bis Gegenwart erzählen in der begleitenden Ausstellung „Zum Wohl!“
(Essen und Trinken. Reisen durch Körper & Zeit noch bis zum 27.07.2025, Zum Wohl! Gläserne Trinkgeschichten noch bis zum 06.07.2025, Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim)
(übrigens: ich schwöre, mit dem Namensgeber der Stiftung weder verwandt noch verschwägert zu sein, jedenfalls soweit mir bekannt – er ist mir auf dem Banner am Ausstellungsgebäude erstmals begegnet)