(Aufgabe vom 12.April 2025, Schreibschule Sent)
Ein Gesicht soll ich zeichnen mit geschlossenen Augen, mein Gesicht. Eine doppelte Herausforderung. Sogar eine dreifache, denn ich soll zeichnen ohne abzusetzen.
Früher habe ich gerne gezeichnet, auch Gesichter, aber nicht meines. Das von Will Quadflieg, das von Joan Baez, das von Lou Andreas- Salomé. Die Gesichter abgezeichnet von Fotografien, die zu mir sprachen. Lou Andreas -Salomé auf einem Insel-Taschenbuch, Will Quadflieg im Band „Wir spielen immer“, Joan Baez auf einem Platten-Cover. Einen Rötelstift in die Hand genommen und versucht. Will und Lou gelangen ganz gut, Joan weniger. Jetzt habe ich seit langem nicht mehr gezeichnet. Mich selbst fotografiere ich ab und an, auch weil ich sonst selten auf Fotos bin, meist bin ich es, die fotografiert. Ich mache kein Selfie, sondern fotografiere mein Spiegel-Gegenüber. Manchmal fotografiere ich nur mein Gesicht, aber dann ist es ja spiegelverkehrt.
Wie also die Zeichnung anfangen? Ich beginne mit der Brille, die Form kenne ich gut. Dann will ich die Haare andeuten, die das Gesicht rahmen. Wie komme ich von der Brille aus dahin? Ich merke, dass ich krakele. Nun den Bogen des eher rundlichen Gesichts. Der geht, landet aber versetzt zur Brille, wie ich später sehe. Und die Augen? Bekomme ich nicht hin. Ein Nasenrücken gerät zum schrägen Strich, irgendwo. Ein lachender Mund soll es sein oder zumindest lächelnd. Ich zeichne einen Bogen, fast Halbkreis. Als ich die Augen öffne, sehe ich, er ist über dem rechten Brillenglas gelandet, da muss ich lachen.
