Liebe Frau A., was brauchen Sie denn in diesen grauen Tagen, in denen das Wetter nicht die einzige Misshelligkeit darstellt?
Ganz einfach, ich brauche einen Hauch Italien.
Hm, wie bewerkstelligen Sie denn das, wenn Sie gerade nicht die Koffer packen und Richtung Süden entfleuchen können?
Oh, erstmal sag‘ ich Ihnen grazie mille für solche Wortschönheiten wie Misshelligkeit und entfleuchen- da leuchtet der Tag doch schon recht südlich.
Soso, das kommt mir jetzt eher spanisch vor, das sind doch eigentlich missliebige Wendungen. Was machen Sie denn sonst noch?
Ich koche.
Sie kochen? Sind Sie denn Köchin?
Keineswegs. Aber ich finde die Zutaten so apart und das Einverleiben auch.
Das Einverleiben? Sie meinen, Sie speisen gerne?
Das auch, certo, sehr gern sogar! Aber mehr noch, ich will auch die Farben und Formen, die Aromen und Düfte inkorporieren, Sie verstehen?
Äh, ja, also, ich bemühe mich mitzukommen.
Na sehen Sie, ist doch ein Anfang. Immer gut, wenn man sich aufmacht.
Capito, aber was haben Sie denn nun heute in Ihren Koffer gepackt, äh, ich meine, in Ihren Kochtopf geschmissen?
Also, ich muss doch schon sehr bitten, ich schmeiße nicht! Das würde ja die Ingredienzien beleidigen und so etwas bringe ich nicht übers Herz. Allenfalls streue ich und zwar zum Schluss die hauchdünnen Chili- Strings über die Mezzelune.
Sie haben Schlutzkrapfen gemacht?
Wenn Sie die Halbmondförmigen so nennen wollen, ja. Die frischen Halbmonde haben mich irgendwo angelacht, zumal sie mit ein wenig Herbst gefüllt waren, mit Kürbis nämlich, dazu mit Salbei und Mascarpone.
Aha, und dann?
Dann hab‘ ich sie mitgenommen und ihnen ein kurzes Bad in Gemüsebrühe gegönnt, bevor ich sie in Olivenöl gewärmt habe. Dort hab‘ ich sie aber nicht alleine gelassen, sondern ihnen ein paar feine Lauchzwiebelröllchen und in dünnste Scheiben geriebene Zucchetti als Begleitung gegeben.
Und obendrauf das feurige Rot der Chili-Strings?
Giusto, richtig, wie ein Gespinst. Ich merke schon, Sie reisen mit!
Das war’s jetzt?
Nicht ganz, ein bisschen Grün hat mir noch gefehlt, Blattpetersilie bot sich an, dem Mangel abzuhelfen.
Ah, die Tricolore, ich begreife passo per passo.
Freut mich zu hören. Dann können Sie vielleicht jetzt auch schon erahnen, welches Getränk die Speise komplettiert hat?
Warten Sie, ich überlege, sprachen Sie nicht neulich davon, dass Ihnen der Lugana fehlt?
Ecco, tatsächlich, Sie haben es gefunden, ein Gläschen Lugana, imbottigliato da Cantine di Verona!

