
Einmal würde sie springen wollen. Sich einfach fallen lassen aus der Luke des Flugzeugs. In den Himmel. Mit Vogelperspektive auf die Erde. Mit ausgespannten Armen und Beinen. Voller Vertrauen. In vollkommener Freiheit. Irgendwann würde sich der Fallschirm öffnen und sie würde das Abbremsen genießen und das langsame Gleiten der Erde entgegen, die ihr wieder Boden gäbe unter den Füßen. Die sie aber eben noch schauen konnte von oben, von da, wo alles entfernt war und sich doch fügte in einen Zusammenhang. In eine stimmige Landschaft mit sanftem Übergang der Farben, mit wohlgeordneten Feldern, dunklen Tupfern der Wälder, mit anheimelnden kleinen Weilern. Eben wäre sie noch den Wolken nahe gewesen, die sie berührt hätten mit ihrer zärtlichen Feuchte und ihren flüchtigen Formationen. Sie hätte wie Ikarus die wärmenden Strahlen der Sonne gespürt, aber das Wachs ihrer Flügel wäre nicht geschmolzen. Frei wäre sie gewesen, frei wie nie, und ungeahnten Dingen nahe.
Dabei hat sie Höhenangst, auf Aussichtstürmen zittert sie und nähert sich nur zögernd dem Geländer. Als Kind stieg sie dennoch behänd die Tannen hinauf, als hätten die ihr eine Himmelsleiter geboten, am Rand der weiten Felder, auf einer Kuppe zwischen zwei Dörfern.
(Text vom 2.März 2024, etwas geändert)
