Eine bessere Welt, ja einen „Himmel auf Erden“ wollten sie schaffen, die Mitglieder der im 18.Jahrhundert in den USA gegründeten freikirchlichen Gemeinschaft der Shaker, die an ein nahes zweites Kommen Jesu glaubten und zölibatär lebten. Das Vitra Design Museum hat ihnen, ihrer von funktionaler Schönheit geprägten Architektur, den Möbeln und Gebrauchsgegenständen eine Ausstellung gewidmet, die am vergangenen Wochenende zu Ende ging. Obwohl es inzwischen kaum noch Shaker gibt, haben ihre Ideen die Jahrhunderte überdauert und inspirieren auch heute noch kreativ Tätige.
Ihren Glauben drückten die Shaker unmittelbar in Arbeit, Handwerk und Design aus, die von dessen Werten durchdrungen waren, für die Gemeinschaft waren soziale Gleichheit, Gemeinbesitz und Pazifismus zentral. Trotz der Grenzen, die die Shaker – auch durch kennzeichnende innere und äußere Ordnungen – zur säkularen Welt zogen, blieben sie offen für Veränderungen, auch technologischer Art. Sowohl durch Handel wie durch Publikationen hielten sie den Kontakt zur Welt außerhalb der Gemeinschaft. Bekannt sind ihre schlichten Möbel, deren Ästhetik der praktischen Erfordernis ihres spirituellen und gemeinschaftlichen (nach Geschlechtern getrenntem) Lebens entsprang, die Gegenstände sollten funktional, einfach, lange haltbar und der Gemeinschaft dienlich sein. Individuelle Fertigkeiten wurden in die Gemeinschaft eingebracht, dort aufgetauchte Alltagsprobleme führten zu „Erfindungen“ wie zum Beispiel dem Kippmechanismus an Stühlen. Im Versammlungshaus, dem Zentrum jedes Shaker-Dorfes, kamen die Mitglieder zusammen und brachten ihren Glauben auch durch Musik, Gesang und Tanz zum Ausdruck, in den Tänzen liegt auch der Ursprung der zunächst abwertenden Bezeichnung der Gemeinschaft „Shaking Quakers“. Anfänglich waren die Tänze wohl ekstatisch und arrhythmisch, später wurden durch Father Joseph Meacham individuelle Bewegungen zu einem linearen Tanz geformt, so dass sich die Brüder und Schwestern nach Geschlechtern getrennt nun in einheitlichen Linien und Kreisen bewegten (verschiedene Abbildungen in der Ausstellung und der aktuelle Film einer zeitgenössischen Auseinandersetzung des amerikanischen Choreografen Reggie Wilson und seiner Performance-Group mit der spirituellen Kraft des Shaker-Tanzes: „Power-Every Movement is Sacred“). Ein einzigartiges Notationssystem und mindestens 10000 eigene Lieder gehören zum musikalischen Erbe der Shaker, eines davon wurde bei der Amtseinführung von Barack Obama gespielt: „Simple Gifts“. Da die Shaker autark sein wollten, gab es in ihren Dörfern auch gut ausgestattete medizinische Einrichtungen mit selbst hergestellten Medikamenten (oft aus Kräutern) und Instrumenten, überstieg aber ein Leiden die Möglichkeiten, wurden Ärzte von außen beigezogen. Da alle Mitglieder – auch Alte, Gebrechliche und Beeinträchtigte- aktiv am Leben der Gemeinschaft teilnehmen sollten, suchte man mit pragmatischem Fürsorgeansatz Lösungen für hindernde Probleme und entwickelte Rollstühle, Gehhilfen und orthopädische Schuhe, eindrucksvolle Beispiele fanden sich in der Ausstellung, neben den Möbeln, landwirtschaftlichen Geräten, Saatgutkisten, Nähmaschinen, Handschuhformen, Musikinstrumenten, Werbeplakaten für Medikamente (z.B. ein aus Früchten hergestelltes Laxans) etc. Wiegen wurden nicht nur für Kinder angefertigt (die Shaker zogen Kinder von neuen Mitgliedern, Waisen und Findelkinder auf), sondern auch für Erwachsene, wo sie in der Pflege von Alten und Kranken durch das Schaukeln Wundliegen verhindern und in letzten Lebenstagen Linderung verschaffen sollten.
Die Gründerin, Mother Ann Lee, soll ihren AnhängerInnen gesagt haben: „Tut all eure Arbeit so, als hättet ihr noch tausend Jahre zu leben – und so, als wüsstet ihr, dass ihr morgen sterben könntet.“
