Was macht das Leben, fragt die Ex- Kollegin und ich finde, das ist eine gute Frage. Wesentlich besser als das zwischen sonstigen Satzfetzen eilig hingeworfene „geht’s dir gut?“, auf das ohnehin nie jemand eine Antwort hören will, schon gar nicht die richtige.
Mit der guten Frage lässt sich viel anstellen, zum Beispiel kann man die Frage in Form von „Hallo Leben, was machst du?“ wunderbar weiterreichen und wenn man Glück hat, dann antwortet das Leben tatsächlich prompt und lässt sich allerhand einfallen.
Es erzählt zum Beispiel, dass es pulverisiert mit dem Schneebesen in ein Milch-Wasser- Gemisch verquirlt wird, in Bio-Qualität natürlich, und anschließend in irgendwelchen Mündern verschwindet und dass ihm das wirklich gut tut. Oder dem Leben fällt ein, dass es mächtig wachsen kann zwischen Pflastersteinen im Hof, ganz schön grün, manchmal sogar blühend, jedenfalls in großer Menge, was ist? fragt es, als man ihm gegenüber das Wort Unkraut ins Spiel bringt. Oder das Leben ruft an und meldet kleine und vielleicht auch größere Katastrophen, jedenfalls dringenden Gesprächsbedarf und schon nimmt der Tag eine ungeplante Kurve. Oder das Leben flattert auf gebrandeten Briefbögen herein und stellt so tiefschürfende Fragen wie „wie fanden Sie unseren Kundenservice?“ und man versinkt in wirklich philosophischen Überlegungen. Oder das Leben flötet und tiriliert, kaum dass man morgens ein Fenster geöffnet hat, und da fliegt es auch schon auf und davon und erhebt sich in die Lüfte. Oder das Leben setzt sich draußen in ein Café und malt ein Milchschaumherz in und andere Gaben neben den Cappuccino, auch wenn der Vormittag sich gerade dem Ende entgegen neigt und die Zeit eigentlich nach einem Espresso schreit. Oder das Leben klingelt an der Haustür und gibt ein Poststück ab und darin sind Nester, nämlich die von Giovanni Pascoli „È un inno senza fine/or d’oro, ora d’argento/nell’ombre mattutine – Der Hymnus bricht niemals ab/bald golden, bald silberhell/im noch schattigen Tag.“
Ich bleibe dabei, die Frage ist eine wirklich gute: Was macht das Leben?
(Das Zitat entstammt dem Gedicht Alba festiva/Feiertagsmorgen aus Giovanni Pascoli : Nester. Gedichte. Italienisch/Deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Theresia Prammer. Wallstein-Verlag, Göttingen 2024)
