Lieber Pofy,
weißt Du noch? So habe ich Dich genannt, als ich dann sprechen konnte, begleitet hast Du mich schon davor, seit meinem allerersten Geburtstag nämlich. Genau weiß ich nicht mehr, wie alt ich war, als ich Dir den Namen gab, ich weiß aber noch, dass ich vor der Wohnungstür stand in einer Hebelstraße, also bist Du später mit mir umgezogen von einem Dichter zum anderen, von Hebel zu Goethe. Da war ich dann schon 12 und Du warst 11 und durftest weiterhin auf meinem Bett sitzen. Dass Du Pofy heißt, wusste ich sofort, woher ich das wusste, weiß ich nicht. Wir Beide waren unzertrennlich und wenn Du dich dennoch einmal selbständig gemacht hattest, ging das gar nicht. Da kam es dann schon vor, dass eine ganze Wegstrecke wieder zurückgefahren werden musste, um Dich da abzuholen, wo Du geblieben warst. Und erst der Ausflug in der Pferdekutsche in Nizza, bei dem Du den Halt verloren und irgendwie die Kutsche verlassen hattest und vor lauter Pferdeglück und Pferdegetrappel das zunächst keiner merkte! Und wie dann alles Pferdeglück nichts mehr nützte, als ich Dich schließlich vermisste und so untröstlich war, dass vor lauter Tränen gar keine südliche Sonne mehr schien! Und wie dann der Kutscher tatsächlich die Pferde wendete und sie mit entschiedenem „brrrr“ auf einer großen Kreuzung zum Stehen brachte und da lagst Du, umtost vom heftigen Verkehr, und Du warst unversehrt und der Kutscher hat Dich geborgen und zu mir hochgereicht und ich hab´ Dich in die Arme genommen und ganz, ganz fest gehalten und die Sonne war wieder vorhanden und das Glück unbeschreiblich. Da Du so viel mit mir unterwegs warst, mussten Deine Fußsohlen und Handteller ab und an – ach jetzt hätte ich fast geschrieben: neu beschlagen – nein, natürlich mit neuen Filzen versehen werden, und dann waren sie nicht mehr beige, sondern orange und später gelb. Auch deine Schnauze wurde mit gelbem Filz erneuert und die Stiche mit braunem Faden waren etwas ungleich und unregelmäßig, aber sie taten ihre Pflicht. So dass die Schaumstofffüllung in Dir drin blieb und Du Dich weiterhin schön kräftig fühltest. Der kleine Metallknopf im Ohr kam aber irgendwann abhanden und später leider auch Deine hübschen braunen Glasaugen. Inzwischen, mein lieber Pofy, bist Du ja auch betagt, mehr als doppelt so alt wie Braunbären in freier Wildbahn werden können, Du bist noch ein paar Mal mit mir umgezogen, wir haben auch einmal bei dem Lyriker Geibel gewohnt und bei einem Mitglied der Merian-Familie, sogar beim Musiker Mozart durften wir eine Weile weilen. Wenn ich Dich jetzt so ansehe und in die Hand nehme, merke ich, wie dünn Du geworden bist (im Gegensatz zu mir), deine Füllung ist irgendwie trocken und bröselig und sie knistert, aber, mein Lieber, Dein Fell fühlt sich noch genau so an wie früher und seine Farbe hat es auch bewahrt. Du darfst jetzt zurück aufs Altenteil, nein, in die Vitrine, zu Deinen alten Steiff- Kollegen, der kleine Dackel hat noch seinen Ohrknopf, die schwarzgefleckte weiße Katze guckt Dich mit grünen Augen an und ihr Fadenschnäuzchen schimmert rosa. Weißt Du übrigens, dass die Tochter des US-Präsidenten Theodore Roosevelt einem Deiner ersten Artgenossen (und damit Euch allen) genau diesen Namen gegeben hat, also „Teddy“ nach ihrem Vater? Nein? Jetzt weißt Du´s (jedenfalls, mein heißgeliebter Teddybär, ist das eine Version der Geschichte)!
Ich hoffe, wir bleiben uns noch ein Weilchen erhalten, lieber Pofy,
Deine….
(PS.: Ich war sogar einmal in der 1880 gegründeten Firma von Margarete Steiff in Giengen an der Brenz und habe gesehen, wie ältere Frauen, deren Hände sich schon verfestigt hatten in der Haltung der Schere, weiter die Stofffelle so geschnitten und sie nicht dem Wasserstrahlschneider überlassen haben.)
(PPS.: Mir fällt gerade ein, dass das erste von Margarete Steiff nach dem Schnittmuster einer Modezeitschrift gefertigte weiche Stofftier ein Filzelefant und eigentlich ein Nadelkissen war. Das „Elefäntle“ war aber bei den Kindern derart beliebt, dass ein Kinderspielzeug draus wurde. Margaretes Bruder Fritz verkaufte im Jahr 1881 auf dem Heidenheimer Weihnachtsmarkt 18 dieser Elefanten und im Jahr 1886 wurden bereits sage und schreibe 5066 Elefanten verkauft).
