Der alte Kalender zeigte den richtigen Monat an, jedenfalls glaubte die Frau das. Es waren nur die Tage, die falsch waren. Das machte nichts, denn die Frau sah gerne immer wieder dieselben Bilder, im Februar Venedig, im März Rom, Florenz im April, Ravello im Mai, und so fort. Das beruhigte die Frau, wenn Jahr für Jahr die Bilder wiederkehrten, sie taten das seit zwölf Jahren. Die Engelsburg im Januar, ein einzelner Laternenpfahl vor einem Kanal im Februar, im März Brunnenfiguren vor der hohen Fassade von Sant’Agnese in Agone, im April ein steinernes Mädchengesicht an einer Hausecke, umrankt von Obstgirlanden, über ihr ein Widderkopf, unter ihr ein Fußpaar, das ihr nicht gehört. Die Bilder waren schwarzweiß und die Frau konnte sich in ihre Perspektiven und Schattierungen verlieren. Seit einiger Zeit aber hatte sie das Gefühl, dass die Jahre im Januar hängen blieben, zwar ging draußen die Welt weiter, aber drinnen hingen die Januare und bewegten sich nicht von der Stelle. Das schien der Frau seltsam. Denn irgendwann zeigte der alte Kalender wieder August (weiß eingedeckte Tische in einer toskanischen Laube), plötzlich auch Dezember (mit dem feuchten Pflaster des Markusplatzes) und dann kam draußen der nächste Januar und die Frau wusste gar nicht, wie er da hingekommen war, denn in ihr drin hing noch immer der vom letzten Jahr. Da erinnerte sich die Frau, einmal vom Gedanken gelesen zu haben, die Zeit sei geformt wie eine Kugel. Das hatte ihr gefallen. Oder war es etwa die Ewigkeit gewesen mit der Form einer Kugel? Egal, das machte ja dann nichts.
