Das Gartenbad oder Sommerfreuden 7

Ich habe ein Gartenbad. Eines, um das ich mich nicht kümmern muss. Es ist einfach da, bereit für mich und nah, kaum fünf Minuten Wegezeit. In dem Bad kann man zugleich auf einer Wiese und neben der Wiese lagern, jener Wiese, über die Johann Peter Hebel ein Langgedicht geschrieben hat. Früher war das Bad gegenüber, auf der anderen Seite der Straße, dort, wo jetzt wenige Autos und viele Zweiräder parkieren können, neben einer Tischtennisplatte und dem Beachvolleyballplatz. Damals plantschten die noch kleinen Kinder im blaugestrichenen Becken, jetzt sehe ich, wie ein Wind, der ein Meeresversprechen mit sich führt, die Kronen noch derselben Bäume bewegt, aber es sind andere Blätter. Das Bad hat eine Wandlung erfahren, es verschmilzt mit der Natur, die Architekten Herzog & de Meuron imaginierten die Metamorphose, unbehandeltes Lärchenholz hegt das Areal ein und bildet die Hülle für Café, Garderoben und Kasse, auf Holzbohlenstegen laufe ich zu den Becken, die Teichen gleichen. Schilfgräser wiegen sich dort und kleine Kieselsteine schmiegen sich an große, zeigen weiße Adern auf dem Grau oder das Fleckenmuster von Möweneiern, seltene Exemplare probieren einen Hauch Rosé. Von veralgten Stufen gleite ich ins dunkle Grün des Wassers, schwimme gemächlich die fünfundzwanzig Meter hin und wieder her, da capo, mit leichten Variationen des Tempos, die Sportliche mit Schwimmbrille neben mir überholt mich mehrfach, sieht sie die Seerosen am Rand, bei denen ich jetzt stoppe, ich kann nicht wie eine Nymphe zwischen ihnen schweben, das verhindert die Unterwassermauer, aber meine gespreizte Hand findet einen genau umzirkelten Platz auf dem festen, glatten Blattteller. Ich verlasse das Becken, über die Wiese rennen Kinderfüßchen, auf Zehen leuchtet Nagellack, über Knöcheln flattern dauerhaft Schmetterlinge und schwarze Socken verhüllen Herrenfüße. Ein hölzerner Sprungturm dämpft repetitives Platschen, Zwölfjährige geben mit lauten Mama-Rufen ihre Position durch und ein Aufseher mit neongelbem Shirt dämpft jugendlichen Übermut, während die Delphine auf seinen Waden munter spielen. Nach und nach legt sich das Cremeweiß der großen Schattenspender in Falten, es folgt den Kurbelbewegungen der Wärter, auf der kurzen breiten Wasserrutsche folgen aber noch viele der vorgeschriebenen Rutschposition. Vor dem begrünten Zaun Richtung Wiesentalbach blickt eine junge Frau kurz aus dem Liegestuhl und von ihrer Lektüre auf, als ich auf bloßen Füßen vorübergehe, ein bronzener Pelikan verharrt in seiner Stellung neben den Stufen zum Nichtschwimmerbecken, sein Haupt glänzt golden, abgegriffen wie der Fuß des Petrus im Petersdom. Die Dachterrasse des Lärchengehäuses darf nur von Erwachsenen betreten werden, ich komme dem Stummel der Rehberger-Kuckucksuhr ganz nah, das Rund des Zifferblattes fehlt, der Kuckuck ist seit Langem verstummt, eine blaue Plastikplane verhüllt das Amputat, ein paar Elektrodrähte ragen in den Abendhimmel, an dem sich gerade eine Wolke zur Krabbenschere formiert. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße spielen sie noch Beachvolleyball, andere lösen ihre Räder von den Ständern, Autotüren schlagen zu, im Bad ebben die Geräusche ab, der Wind greift in die Blätter und die kleinen Schweizer Fähnchen, die im umgewidmeten Holzfass der Fuchsie Gesellschaft leisten, wedeln schon ein wenig müde.