„In 80 Bäumen um die Welt“

Die Ausstellung Nordlichter in der Fondation Beyeler habe ich vor Kurzem zum zweiten Mal besucht. Sie widmet sich der zwischen den 1880er und 1930er Jahren in der sogenannten borealen Zone entstandenen Landschaftsmalerei, außer dem bekannten norwegischen Maler Edvard Munch sind viele Künstler und Künstlerinnen aus Skandinavien und Kanada vertreten, deren Namen außerhalb ihrer Herkunftsländer kaum im Gespräch sind. Das zentrale verbindende Motiv ist der Wald, dessen Korrespondenz und Interaktion mit dem nördlichen Licht und mit den weiteren Elementen der Landschaft und des Himmels wie Wasser, Felsen, Schnee, Wolken. Dabei taucht man ein in helle oder dunkle Stimmungen, man steht mit Weitblick oder mitten in undurchdringlichem Wald, ohne dass man durch Schilder neben den Gemälden gestört wird. Wer will, findet Titel, Namen und Daten zum jeweiligen Werk auf dem hölzernen Fußboden. Wikipedia sagt mir, dass der griechische Gott des Nordwindes Boréas Namensgeber des Oberbegriffs für die Wälder der kaltgemäßigten Klimazone ist, mir war der boreale Nadelwald bisher eher unter dem Begriff Taiga geläufig.

Zwar sind mein begleitender Nachkomme und erst recht ich dem Mitmachheft-Alter längst entwachsen, das Heft nehme ich dennoch mit, weil es so schön einlädt zum Rundgang mit „alles, was Du brauchst, ist dieses Mitmachheft und einen Bleistift“ und dabei die Erfahrung von spannenden Geschichten verspricht. Mit „Erzähl doch mal!“  regt Seite 6 an, eine kleine Geschichte zu den Bildern von Edvard Munch zu erfinden, Seite 7 möchte mit „Adlerauge“ den Blick auf Details schärfen und Seite 9 fragt „Wie hört sich ein Wald für Dich an und wie riecht es auf einem Berg?“

Im Museumsshop begeistern wir uns dann noch für „eines der leisesten und schönsten Bücher des Jahres“: das mit wundervollen Illustrationen von Lucille Clerc versehene „In 80 Bäumen um die Welt“ von Jonathan Drori (aus dem Englischen von Bettina Eschenhagen & Ulrich Korn, Laurence King-Verlag, 2.Aufl.2022). Darin findet sich zum Beispiel die Dahurische Lärche aus Sibirien, der asiatische Wildapfel aus Kasachstan, die Yoshino-Kirsche aus Japan, die Schwarz-Erle aus Italien, die Papier-Maulbeere aus Tonga, der gewöhnliche Zucker-Ahorn aus Kanada, der Granatapfel aus dem Iran, die Flötenakazie aus Kenia, die echte Quitte aus Kreta, der Olivenbaum aus Israel, der Baum der Reisenden aus Madagaskar (und jetzt muss ich aufhören, sonst zähle ich tatsächlich noch alle 80 auf).

(Die Ausstellung Nordlichter ist in der Fondation Beyeler, CH-Riehen, noch zu sehen bis zum 25.Mai 2025)

https://fondationbeyeler.ch