Und wieder ein Frühling

„Meine Erinnerung an Frühlinge täuscht mich jedes Jahr“ schreibt Peter Bichsel in  der Kolumne „Und Jahr für Jahr ein Frühling“ (in „Im Hafen von Bern im Frühling“, Radius-V.2017) und ich frage mich, ob meine mich auch täuscht. Denn ich bin erstaunt, dass plötzlich alle Frühlingsblüher auf einmal da sind. Wann haben sie sich denn dazu entschlossen? Waren es nicht neulich noch nur die zitternden Schneeglöckchen? Und jetzt: zartes und kräftiges Gelb der Narzissen, das Weiß und Rosa der Obstbäume, die Flamme der Forsythien, die nicht zu zählenden Sterne der Gänseblümchen, auch der Rosmarinstrauch ist mit vielen blauen Tupfern geschmückt und die erste Pusteblume wurde bereits neben ihren gelben Schwestern gesichtet.

Die Magnolien, Angehörige der ältesten Blütenpflanzenfamilien der Erde, schmeicheln den Augen und lassen einen grauen Himmel vergessen. Aber sind sie nicht besonders früh dran dieses Jahr? Da fällt mir in die Hände, was ich am 27.März des vorigen Jahres schrieb: „Heute gibt es kein Sonnenfunkeln. Der Magnolienbaum an der Straßenkreuzung hat schon viele Blüten verloren, auf dem Asphalt bilden sie einen dichten, glitschigen Teppich, dessen Weißrosa durch ein schmutziges Braun gedämpft wird.“  Also doch nicht besonders früh dieses Jahr. Sondern besonders schön. Obwohl die Sonne auch heute nicht funkelt. „Schauen, was ist, und auf nichts warten. Schauen, einfach schauen…“ schreibt Peter Bichsel.