Schreibspiel

(in der Schreibschule Sent am 13.April 2025, etwas überarbeitet)

Es ist ein Regentag. Mariana hat Langeweile. Sie schaut aus dem Fenster des Kinderzimmers. Niemand ist draußen außer den Regentropfen, die in eine Pfütze springen. Mariana beobachtet, wie im Wasser Kreise entstehen, die nach außen laufen. Ob das auch passiert, wenn sie in die Pfütze springt? Plötzlich will sie unbedingt nach draußen und das probieren. Sie rennt in den Flur, wo sind bloß die Gummistiefel? Mariana kickt ungeduldig die roten Lackschuhe und den bunten Rucksack zur Seite, aus dem die Vesperbox und ein angebissener Apfel kullern. Da sind ja die Gummistiefel! Mariana bückt sich und will sie unter der Schuhbank hervorziehen, da bemerkt sie noch etwas in der Ecke, ganz voll Staub, was kann das sein? Sie streckt den Arm aus und greift etwas Weiches: ihr altes Kuscheltier, der braune Elefant! Wie er ihr gefehlt hatte! Mariana pustet die Flusen weg und drückt das dunkle Plüschtier an sich. Soll sie Tuffi mit nach draußen nehmen? Dann ist sie nicht so allein! Im Haus ist es ganz still, die Mama liegt im Bett, sie braucht viel Ruhe, hat der Papa gesagt, bevor er zur Arbeit ging, die Mama hat Gürtelrose. So ein komisches Wort, Mariana hat es erst kürzlich gelernt. Sie hat es lernen müssen, weil die Mama nämlich krank ist. Zuerst hat Mariana sich gewundert, dass eine Rose krank machen kann. Und was ein Gürtel mit einer Rose zu tun hat, hat sie sowieso nicht verstanden. Dann war ihr eingefallen, dass sie einmal mit ihrer Freundin Gela Gänseblümchen gepflückt und zu einem Kranz geflochten hat, aber das war ja dann ein Haarreif und kein Gürtel. Schließlich hat die Mama Mariana die vielen Bläschen gezeigt, die in einem Streifen vom Rücken bis zum Bauch ziehen und Mariana hat verstanden, warum es Gürtel heißt. Aber Rose? Sie weiß nicht. In letzter Zeit sind viele neue Worte in ihren Kopf geraten, sie schwirren dort herum wie seltsame Wesen und manchmal rutscht Mariana dann durch ein Abflußrohr auf dem Schrottplatz und nicht hinter Gela durch die gelbe Tunnelrutsche auf dem Spielplatz oder der Violinschlüssel hängt zu hoch und Mariana kriegt ihn nicht zu fassen, dabei gefällt ihr doch seine Farbe so gut, besser noch als pink und rosa. Wenn doch nur die Mama wieder gesund wäre! Dann gehen sie nämlich zusammen in die Bibliothek, das hat die Mama versprochen, dort gibt es Bücher mit Bildern zu den komischen Worten, die wollen sie mitnehmen und anschauen, dann wird das Schwirren weniger und die Langeweile auch. Aber jetzt, rasch rein in die Gummistiefel, raus vor die Tür und in die Pfütze springen! Los, Tuffi, komm!

Und noch eine Hörempfehlung (Gespräch mit der Schriftstellerin Mariana Leky) : Der Sonntagsbrunch: Promis im Gespräch · Mariana Leky: „Bei jedem Buch steht man wieder bei Null, am Anfang“ · Podcast in der ARD Audiothek https://share.google/ruuFteeL4urQMiSNP