
und zwar die 12. Badenweiler Literaturtage unter dem Titel „Zeitenwende“. Gastgeber Rüdiger Safranski (geb. 1.Januar 1945) schreibt dazu im Flyer: „Der Begriff Zeitenwende hat nicht nur einen heute viel diskutierten politischen Aspekt, sondern hat auch zu tun mit existentiellen Umbrüchen, Krisen, neuen Lebensentwürfen. Und so ist Zeitenwende immer auch ein Thema der Literatur.“
Die Veranstaltungen finden nicht im palastartigen ehemaligen Grand Hotel Römerbad statt, sondern im benachbarten Kur – und Festspielhaus unterhalb der Burgruine, 1972 von Architekt Klaus Humpert gestaltet mit Bankettsaal im Wiesengeschoss, Tourist- und Restaurantbereich im Promenadengeschoss und Vortragssaal im Musengeschoss. „Le Jardin“ heißt der Saal für die Lesungen und er ist in Reihen bestuhlt und bei der Lesung von Iris Wolff aus ihrem 2024 erschienenen Roman „Lichtungen“ komplett ausverkauft (Arno Geiger mit Reise nach Laredo, Anna Katharina Hahn mit Der Chor, Zora del Buono mit Die Marschallin, Burkhard Spinnen mit Vorkriegsleben, Michael Kleeberg mit Dämmerung waren die weiteren AutorInnen der diesjährigen Badenweiler Literaturtage – ohne dass ich sie erlebt hätte). „Lichtungen“ habe ich 2024 erworben, aber erst dieses Jahr im Juli/August gelesen, nachdem 2022 bereits Iris Wolff Roman „Die Unschärfe der Welt“ eine meiner Lektüren war.
Im Gespräch mit Nicola Steiner (Leiterin Literaturhaus Zürich) erzählt Iris Wolff mit ihrer angenehmen Stimme auch über die Entstehung der Werke, über Bilder, Prägungen, Erzählweisen, die Idee, die Geschichte vom Ende her zu erzählen (sie erwähnt, dass manche LeserInnen daher tatsächlich das Buch dann umgekehrt gelesen haben, also nicht mit dem am Anfang stehenden Kapitel Neun begonnen haben, sondern mit dem am Ende stehenden Eins – und als ich in der Schlange zum Signieren stehe, höre ich von Ähnlichem – aha). Die nicht mehr vorhandene Welt, in der ihre Romane spielen, könne sie ein Stück weit bewahren, gleichzeitig sei das Schreiben darüber auch eine Befreiung, es sei wichtig, woher man komme, aber genauso wichtig, wohin man wolle. Malerei und Grafik hat Iris Wolff (geb.1977 in Hermannstadt) studiert, hat aber mit dem Malen aufgehört, als sie mit dem Schreiben anfing, das Sehen sei jedoch ihr bevorzugter Sinn geblieben, inzwischen aber auch das Hören. Sie versuche, mit „offenen Rändern“ zu schreiben, nicht alles auszuerzählen, ihren Figuren auch Freiheit und Würde zu lassen, auch in Lichtungen sei es zwischen den beiden Hauptfiguren eine Schwebe zwischen Liebe und Freundschaft, nie sei ganz klar, was es denn nun sei – aber, sagt sie, in jeder Liebe sei ja auch Freundschaft und in jeder Freundschaft Liebe.
Lichtungen seien ihr während des Schreibens zu einer Metapher für Erinnerungen geworden, für Erinnerungsinseln, „Lichtung ist ein dem Wald geborgter Ort“ kommt in ihrer mittlerweile in Buchform zu erhaltenden Dresdner Poetik-Vorlesung „Einladung ins Ungewisse“ vor (leider sind die am Büchertisch ausliegenden Exemplare bereits alle ausverkauft, als ich vom Signieren aus dort ankomme).
Sehr viel Klang und Rhythmus enthielte Wolffs Sprache, bemerkt Nicola Steiner und fragt die Autorin, ob sie auch Gedichte schreibe. Sie versuche, immer klarer und reduzierter zu schreiben, antwortet Iris Wolff, aber es würde wohl nie ein Gedicht werden, da sie immer den Raum zum Erzählen brauche.
(Im seit 2016 geschlossenen Hotel Römerbad, in dessen Hofsaal bis dahin und seit 1973 auch die Römerbadmusiktage stattfanden, logierten schon Thomas Mann, Andy Warhol, der Opernsänger Richard Tauber und im Juni 1904 auch der tuberkulosekranke Anton Tschechow)

(Iris Wolff : Lichtungen, Klett-Cotta 2024) (Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt, Klett-Cotta 2020)
