Michaelistag oder Tag der Erzengel

Auch das Herrnhuter Losungsbüchlein weist diesen Tag als einen besonderen aus, als Michaelistag nämlich und er erhält einen Extra-Vers aus dem Psalm 34: „Der Engel des HERRN lagert sich um die her, die ihn fürchten und hilft ihnen heraus“ (Vers 8; in der Elberfelder Übersetzung heißt es „…und er befreit sie“). Der Tag gilt aber auch allgemein als Tag der Erzengel (also vorrangige, oberste oder erste Engel/Boten), zu denen neben Michael u.a. auch Gabriel und Rafael gehören. Rafael, dessen Name bedeutet „Gott heilt“, spielt im Buch Tobit eine Rolle, das sich in meinen Bibelausgaben in der Neuen Jerusalemer Bibel (Einheitsübersetzung mit Kommentar der Jerusalemer Bibel) findet, die ich mir einmal gewünscht und von der Mutter 1987 geschenkt bekommen hatte, in einer Luther-Ausgabe (revidierter Text 1984) ist es mit Textabweichungen unter dem Namen Buch Tobias in der Abteilung Apokryphen enthalten. Die Einleitung zum Buch Tobit in der Neuen Jerusalemer Bibel erklärt das Buch zu einer Familiengeschichte und resumiert den Inhalt u.a. so: „Tobit und Sara, beide flehen zu Gott, ihrem Leben ein Ende zu machen. Aus diesem zweifachen Unglück und auf das Gebet beider hin lässt Gott große Freude entstehen: Er sendet seinen Engel Rafael, der Tobias, den Sohn Tobits, zu Raguël geleitet, ihn Sara heiraten lässt und ihm das Heilmittel gibt, das den Blinden heilen soll….Der Engel Rafael enthüllt und verbirgt zugleich das Wirken Gottes, dessen Werkzeug er ist. ….Einen Gott, der alles zum Guten lenkt, sich nahe wissen, dazu lädt das Buch ein.“ (Das Buch Tobit wurde wahrscheinlich um 200 v.Chr. auf aramäisch geschrieben, es ist eine Erzählung mit fiktiven Elementen; das 10.Kapitel ist in der neuen Jerusalemer Übersetzung mit „Die Augen“ überschrieben).

Der Erzengel Rafael gilt als Patron der Reisenden, der Pilger, Auswanderer, Seeleute. Und auch der Dachdecker, Bergleute, Blinden, Kranken und Apotheker.

Als ich mir in einem Alter, in dem man keineswegs mehr mit Puppen spielt, die Jungen-Puppe gewünscht habe (nämlich mit 17 Jahren), wusste ich sofort und ohne jeden Zweifel, wie sie heißen sollte: Rafael. Natürlich habe auch ich nicht mit der Puppe gespielt (das haben dann Nachkömmlinge mehrerer Generationen ab und an gemacht), ich habe den Jungen nur betrachtet und einen solchen Nachkommen über viele Jahre hinweg immer auch wieder imaginiert – nicht das Blonde und Blauäugige, sondern das, was das ruhige Gesicht mit den großen, weit geöffneten Augen für mich ausdrückte. Auch wenn andere Figuren des Alten Testamentes Namensgeber wurden, ich mag ihn noch immer, den des Erzengels: Rafael.

(Neue Jerusalemer Bibel, Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel. Herder-V. Freiburg, Basel, Wien 1985)

(Eliot Weinberger: Engel & Heilige. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender. Berenberg-Verlag, Berlin 2023; NB: am 25.Sept. meldet boersenblatt.net, dass der Berenberg-Verlag voraussichtlich zum 31.03.2026 nach 22 Jahren seine Geschäftstätigkeit einstellt)

Fünfzehnter Sonntag nach Trinitatis

Im Herrnhuter Losungsbüchlein ist heute der Psalm 46 – ein Lied – für die Bibellese angegeben. Ich zitiere die Verse 2 bis 6 nach der Elberfelder Übersetzung (2006):

Gott ist uns Zuflucht und Stärke, als Beistand in Nöten reichlich gefunden.

Darum fürchten wir uns nicht, wenn auch die Erde erbebt und die Berge mitten ins Meer wanken.

Mögen seine Wasser tosen und schäumen, die Berge erbeben durch sein Aufbäumen!

Des Stromes Läufe erfreuen die Stadt Gottes, die heiligste der Wohnungen des Höchsten.

Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken; Gott wird ihr helfen früh am Morgen.

Auf dem Basler Meer

Als Johann Gottfried Seume im Jahr 1802 vom Ziel seines weiten Spaziergangs nach Syrakus wieder Richtung Heimat umgekehrt war, wollte er einen Abstecher nach „Gallien“ machen und kam daher von Zürich aus auch in Basel vorbei. „Die Gegend den Rhein herunter ist fast durchaus schön, und besonders bei Rheinfelden. In Basel am Tore lud man mich zum Kriegsdienst der Spanier ein, die hier für junges Volk von allen Nationen freie Werbung hatten, ausgenommen die Franzosen und Schweizer….Der französische Kommandant, zu dem ich wegen meines Passes ging, war freundlich und höflich. Der preußische Pass war in Mailand revidiert worden, und der General Charpentier hatte daselbst bloß darauf geschrieben, dass er durch die Schweiz nach Paris gültig sei. In Basel wies man mich damit an den ersten Grenzposten, ungefähr noch eine Stunde vor der Stadt. Als ich dort ankam, sah der Offizier nur flüchtig hinein, gab ihn zurück und sagte: Vous êtes bien en regle. Bon voyage! Und seitdem bin ich nirgend mehr danach gefragt worden.“

Das waren Johann Gottfried Seumes (1763-1810) Erlebnisse mit dem Dreiländereck, das er zu Fuß passierte und als er am Abend im Elsass noch eine „schöne einfache ländliche Melodie zu einem deutschen Texte“ von drei „Grazien“ hörte, wähnte er sich „heimisch“ und „an den Ufern der Saale“.

Drei Jemande verschiedener Größen begleiteten die herbstliche Passage des wahren Dreiländerecks, das mitten im Fluss liegt und der Kapitän der Rhysonne ließ extra das Schiffchen ohne den Solarmotor schaukeln, damit seine Passagiere nicht nur denen auf dem rheinaufwärts eilenden großen Schiff winken, sondern auch in Ruhe dem Zug der Strömung Richtung Meer nachspüren konnten. Und mit all den Schiffen, dem Schaukeln, der endlich wiedergekehrten Rheinsonne, den Meereszeichen in der Solarfähre und den italienischen Sätzen weiterer Passagiere wähnten wir uns nicht an den Ufern der Saale, sondern mitten auf dem Meer – an dem Basel ja nachweislich liegt, wie im Hafenmuseum nachzulesen ist.

Gefragt hat übrigens kein Grenzposten, sondern ein groß gewordener Jemand und so das Gespräch und das „allgemeine Wohlbefinden“ (Seume) während der ganzen Passage in Gang gehalten. Un très bon voyage!

(Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus. Herausgegeben und kommentiert von Albert Meier. dtv Klassik, Deutscher Taschenbuch Verlag München, 2.Aufl.1991, erworben 1991)

Rilkes Tiere

Angelika Overath und Manfred Koch, in deren Schreibschul-Klassenzimmer der Senter Chasa Misoch ich bald wieder bei den grünen Bibliothekslampen sitzen werde (s.Blogeintrag vom 22.Mai 2025), haben eine wunderschöne Anthologie herausgegeben und mit einem -wie der Verlag schreibt- „kundigen“ Nachwort versehen, am 15.September ist sie im Insel-Verlag Berlin erschienen: „Rilkes Tiere“, Insel-Bücherei Nr.1549. Sie versammelt Gedichte und Prosa-Texte aus Rainer Maria Rilkes Werken und stellt ihnen korrespondierende Gemälde-Details zur Seite, denen Angelika Overath in Museen begegnet ist, die sie gesehen und fotografisch eingefangen hat. So werden die Lesenden zwiefach mitgenommen zum Einhorn, zu den Teppichen der Dame a la Licorne, zu Hunden, Katzen, Löwen, Marienkäfern, Fliegen, zu Schwänen, Flamingos, Papageien, Meisen und anderen Vögeln, zu einer Gazelle (sehr interessante Bezüge im Nachwort) und auch der weiße Elefant des Karussells im Jardin du Luxembourg ist vertreten.

Rilkes Geburtstag jährt sich am 4.Dezember zum 150. Mal, im kommenden Jahr wird am 29.Dezember sein 100.Todestag sein, von Manfred Koch ist daher in 2025 auch die Biographie „Rilke – Dichter der Angst“ erschienen (Verlag C.H. Beck, München),s.Blogeintrag vom 7.Mai 2025.

Wie sehr Rilke oft der äußerst genaue Beobachter ist, der seine Texte entfaltet aus der Anschauung, Durchdringung und Verwandlung des konkreten Gegenstandes oder wie man die nicht immer einfache Dichtkunst Rilkes auch genießen kann (nämlich getragen „wie von Musik“), lässt sich unter vielen anderen schön beleuchteten Aspekten und Hintergründen im Nachwort der Herausgeber mit Freude lesen.

https://www.suhrkamp.de/buch/rainer-maria-rilke-rilkes-tiere-t-9783458195498

Alte (oder frühe?) Lektüren

Nach ausgedehntem Ausflug zum Büroaufsteller gehe ich zum Bücherregal und schaue, ob ich das noch habe: „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel García Márquez (1927-2014). Tatsächlich, da ist es in der zweiten Reihe des Regalbretts mit der „spanischen Abteilung“ und im Verein mit weiteren Márquez-Werken aus verschiedensten Zeiten und Herkünften (z.B. habe ich den Fischer-Taschenbuch-Band, Ausgabe 2004 „Von der Liebe und anderen Dämonen“ am 27.Januar 2018 in einer Riehener Brockenstube erworben), die aber zum allergrößten Teil noch auf die Lektüre warten (soweit mir bekannt ist, kennt das Japanische ein eigenes Wort für den Stapel ungelesener Bücher). „Die Erzählungen“ (Kiepenheuer und Witsch, Köln 1992) sollte ich mir bald einmal vornehmen. Auf jeden Fall gelesen habe ich aber „Hundert Jahre Einsamkeit“, und zwar 1983. Es interessiert mich, was ich damals mit Bleistift markiert habe:

„Die Welt war noch so jung, dass viele Dinge des Namens entbehrten, und um sie zu benennen, musste man mit dem Finger auf sie deuten.“ (S.9) „Doch trotz seiner unermesslichen Weisheit und seiner geheimnisvollen Ausstrahlung lastete Menschliches auf ihm, eine irdische Bedingtheit, die ihn an die kleinen Gegebenheiten des Alltags fesselte.“ (S.14) „..dass er etwas tat, von dem er seit langem wünschte, dass man es tun könne, von dem er sich aber nie vorgestellt hatte, dass man es in Wirklichkeit tun könne, ohne zu wissen, wie er es tat, weil er nicht wusste, wo die Füße und wo der Kopf waren, und wo er fühlte, dass er nicht länger dem eisigen Rauschen seiner Nieren und der Luft seiner Eingeweide widerstehen könne und der Angst und dem betäubenden Drang zu fliehen und gleichzeitig für immer dabeizubleiben in jener verzweifelten Stille und jener entsetzlichen Einsamkeit.“ (S.39) „So lebten sie in einer schlüpfrigen Wirklichkeit dahin, die sie vorübergehend mit dem Wort festhielten, die ihnen jedoch unrettbar entglitt, sobald sie den Wert des geschriebenen Buchstabens vergaßen.“ (S.62)  etcetera.

1982 erhielt der im kolumbianischen Aracataca als Ältester von elf Geschwistern geborene spätere Jurastudent, Journalist und Schriftsteller Gabriel García Márquez den Literaturnobelpreis. Ich erinnere mich auch noch, die Verfilmung eines seiner Romane gesehen zu haben, vor langer Zeit, es muss „Chronik eines angekündigten Todes“  mit Ornella Muti, Gian Maria Volonté, Rupert Everett und Anthony Delon gewesen sein.

(Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit. Aus dem Spanischen von Curt Meyer-Clason. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982)

La musica italiana

Anfang September in einem messenger-Dienst: Il corso comincia il 24, esatto! Mi piacerebbe avere come filo conduttore le canzoni d’autore italiane: sono belle da cantare, i testi sono spesso profondi e ci darebbero molti spunti di conversazione. Che ne dici?  – Und was habe ich wohl dazu gesagt? Genau, mit einem einzigen Wort habe ich geantwortet: perfetto!

Und nun sitzen die corsisti und hören, wie die Nun-wieder-Italienisch-Lehrerin ein Lied vom 1940 geborenen Francesco Guccini vorsingt, das 1972 veröffentlichte Il vecchio e il bambino, das sich auf die einzigartige Weise der cantautori des Themas der Umweltzerstörung annimmt. Es erzählt die Geschichte eines Alten, der mit einem Kind an der Hand durch eine endlose verwüstete Ebene geht und ihm von Weizenfeldern, Früchten, Blüten, Bäumen erzählt, vom Grün, das die ganze Ebene einnahm, vom Regen, der fiel und von den Sonnen, die den Rhythmus des Menschen und den der Jahreszeiten anzeigten. Das Kind bleibt schließlich stehen, sieht träumend nie gesehene Dinge, und sagt zum Alten: Mi piaccion le fiabe, raccontane altre – ich mag Märchen, erzähle andere.

Und dann lesen wir nicht nur den Text, sondern singen auch alle vier Strophen, insieme, einfach so vom Blatt.

Wasser und Worte

finden sich unter diesem Titel zusammen beim Spaziergang am Rhein auf der Kleinbasler Seite, ausgerichtet von www.literaturspur.ch. Entlang der Verbindung von Ort und Text gestalten Martina Kuoni und MitarbeiterInnen die Veranstaltungen, „Literaturspur/ liest und läuft zwischen den Zeilen“ heißt es auf den Flyern. Der Rheinspaziergang diesmal eine Kooperation mit www.bellevue-fotografie.ch , beginnend beim k-Haus flaniert man entlang der OpenAir-Ausstellung Bild /Fluss, blickt aufs Wasser und seine Ufer, lauscht Wortgeschöpfen, die am Basler Rheinufer geboren wurden und hört allerlei interessante Geschichten. Zum Beispiel jene von den aus wohlhabenden Familien stammenden Dominikaner-Nonnen, die im (Ende des 13.Jh. gegründeten) Klosterkomplex (Kaserne, k-Haus) beheimatet waren und das Kloster mit Lesen, Gesang, Musikveranstaltungen belebten, sich zudem die Freiheit nahmen, im Rhein zu baden, so dass die gegenüber in der Predigerkirche ansässigen Dominikanermönche versuchten, dem Treiben Einhalt zu gebieten, was nicht gelang, Schwestern aus dem Elsass wurden zu Hilfe gerufen und als auch das nicht fruchtete, griff schließlich der Papst ein.

Werner Lutz (1930-2016, Maler, Grafiker, Dichter) lebte zuletzt in Basel und Binningen, in seinen Treibgutzeilen (Waldgut-Verlag 2013) lässt er Schiffe fahren aus Morgen, aus Abend, aus Eisen und „wer am Ufer sitzt/ist miteinander verwandt…..dasselbe Wasser fließt uns durch die Augen“. Der mit ihm bekannte Rainer Brambach (geb.1917 in Basel-gest.1983 in Basel, Möbelpacker, Torfstecher, Werbetexter, Wanderer durch Deutschland, Österreich und Frankreich, Maler in Stuttgart, Gartenbauarbeiter in Basel) schuf -laut Wikipedia- eine von der Naturerfahrung des Gärtners geprägte Lyrik, in schlichtem, zurückhaltendem Stil, in dem auch seine Prosatexte verfasst waren. Wir hören aus dem 2013 im Diogenes Verlag erschienenen Band Gesammelte Gedichte: Am Fluss und (den Wasser-gewirkten) Lebenslauf. Im Café Spillmann sitzt Ulrich Becher (1910-1990) und schreibt den Text über das Sommergewitter, das er gerade bei der Mittleren Brücke erlebt. Sein Hauptwerk ist der 1969 erschienene Roman Murmeljagd, der wohl bei Diogenes nun neu aufgelegt wird, Literaturspur befasst sich am 26.September mit dem Werk (Gespräch und Lesung mit Martina Kuoni und Dieter Häner); im Netz finde ich einen Beitrag des Deutschlandfunks aus dem März 2020 und begeisterte Pressestimmen zum damals im Schoeffling-Verlag wieder aufgelegten Murmeljagd.

Ein Kuriosum hat Martina Kuoni noch zu bieten, sie hat in einer Publikation des Tiefbauamtes einen Artikel aufgestöbert „Vater Rhein, Mutter Aare“, der nicht nur referiert, wann die einzige Stadt, die „am Rhein“ im offiziellen Namen trägt, dazu gekommen ist (16.Aug.1929), sondern auch belegt, dass es eigentlich die Aare ist, die sich auf den Weg zum Meer macht, denn hydrologisch ist der Rhein ein Nebenfluss der Aare und nicht die Aare ein Nebenfluss des Rheins, bringt doch die wasserreiche Aare am Zusammenfluss im schweizerischen Koblenz 560 Kubikmeter ein, der Rhein lediglich 439 – eigentlich müsste die Stadt also heißen Weil an der Aare, das Bundesland Aarland-Pfalz und die Wagner-Oper Aargold. Der Rhein aber hat das Rennen gemacht – und (f)lies(s)t Richtung Meer. Wasser und Worte!

Ulrich Becher: „Murmeljagd“ – Ein Sprachmeisterwerk wird neu entdeckt https://share.google/OnYwIhu8WRLK5YqrN

Vierzehnter Sonntag nach Trinitatis

Der Wochenspruch für die heute beginnende Woche ist gemäß Herrnhuter Losungsbüchlein der zweite Vers des 103.Psalms:

Preise den HERRN, meine Seele und vergiss nicht alle seine Wohltaten!

Und der Losungsvers für den heutigen Sonntag findet sich im Buch Rut, Kap.1, Vers 16:

Aber Rut sagte: Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, von dir weg umzukehren! Denn wohin du gehst, will ich gehen, und wo du bleibst, da bleibe ich.

(zitiert nach der Elberfelder Übersetzung 2006)

Das vorgeschlagene Wochenlied ist Nummer 333 im Evangelischen Kirchengesangbuch: Danket dem HERRN! Wir danken dem HERRN, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich, sie währet ewiglich, sie währet ewiglich.

(Das Lied ist eine Vertonung von Psalm 118,1. Manchmal haben wir es in meiner Herkunftsfamilie vor dem Essen gesungen)

Puppentheater

Wann geht es endlich los? fragt ein groß gewordener Jemand, als wir eine Weile zu früh in den rotsamtenen Kinosesseln sitzen, mit denen man den Souterrain-Raum einer Stadtbibliothek bestückt hat. Nach und nach trudelt eine kunterbunte junge Gesellschaft ein, Klappsitze knallen, Trinkfläschchen ploppen, Papierchen knistern, aufgedrehte Lautstärke wird von den Älteren heruntergedimmt. Der groß gewordene Jemand ist nicht laut, wir kaufen das nicht, sagt er, als er Kleine und Große zum Süßigkeitentisch neben der Bühne eilen sieht, wo sie nach Blick auf das Preisschild eine oder zwei oder drei Gummischlangen erwerben, die dann nicht nur in Münder wandern, sondern auch um Finger gewickelt werden. Den schmecke ich nicht da drin, lässt er die nonna wissen, als er auf der Tüte mit Knabbersnacks das Abbild eines Käses sieht und die Tüte beständig weiter an Volumen verliert. Wann geht’s denn jetzt los? Wir zählen die Minuten und studieren Vorhänge und Bühnenumgebung, der groß gewordene Jemand betrachtet alles konzentriert und hat detaillierte Fragen. Die nonna verleiht ihm den Beobachter-Preis in Gold. Und dann geht das Licht im Raum aus, ein Glöckchen klingelt, der rote und der gelbe Vorhang bewegen sich zur Seite, sämtliche Augen auf den roten Sitzen wenden sich zum Bühnenbild (der groß gewordene Jemand speichert das neue Wort), die Geräusche sammeln sich zu leisem Raunen und Staunen, da sind sie ja, die bekannten Figuren, die flattrigen Hühnerschwestern, der so sympathisch verschusselte und verschrobene Pettersson, der pfiffige Findus. Und dann werden Groß und Klein in die Geschichte gezogen und dürfen mitgestalten und tun das kräftig und ein groß gewordener Jemand wendet zwischendurch ein Strahlen zur nonna. Drei Aufzüge sind es und der groß gewordene Jemand versichert sich selbst, wieviele Pausen zu den Aufzügen gehören. Großes Gelächter bei der Pointe der Geschichte, glücklicher Applaus, als die Vorhänge sich endgültig schließen, und dann nichts wie hinaus in die sommerliche Luft zum Gelato (kein al limon, sondern Vanille im Hörnchen) für einen groß gewordenen Jemand und zum Affogato für eine nonna.